Wie und wo stelle ich den Antrag? Wann habe ich einen Anspruch auf Opferentschädigung?

Wenn du eine Gewalttat am eigenen Körper oder bei einem Dritten miterleben musstest, hat das in der Regel gravierende Folgen für dich. Damit du mit dieser negativen Erfahrung nicht allein klarkommen musst, bietet dir der Staat eine umfangreiche Opferentschädigung an. Die entsprechenden Regelungen sind in dem seit Anfang 2024 geltenden, neugeregelten Vierzehnten Buch Sozialgesetzbuch gesetzlich verankert.

von G. Ruser
11.11.2024
5 Min Lesezeit

Anspruch auf Opferentschädigung Das Wichtigste in Kürze

  • Hat eine Gewalttat bei dir psychische oder gesundheitliche Schädigungen verursacht, hast du Anspruch auf staatliche Leistungen in Form der Opferentschädigung.

  • Eine Gewalttat liegt dann vor, wenn du einem vorsätzlichen, rechtswidrigen und tätlichen Angriff ausgesetzt bist.

  • Anspruchsberechtigt bist du, wenn du in Deutschland durch eine solche Tathandlung eine gesundheitliche Schädigung erleidest.

  • Sowohl Deutsche als auch Ausländer können in Deutschland Opferentschädigung beantragen.

  • Die Leistungen umfassen Entschädigungszahlungen, die du entweder monatlich oder als Einmalzahlung erhalten kannst.

  • Daneben kannst du weitere Hilfen, wie z. B. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit oder Krankenbehandlung beantragen.

Aktuelle Rechtslage Was hat sich hinsichtlich der Opferentschädigung seit dem 1. Januar 2024 geändert?

Wenn es um die Neuregelungen zur Opferentschädigung geht, ist das neu ausgegebene Ziel des Gesetzgebers seit Anfang des Jahres 2024 deutlich zu erkennen. Der Staat möchte es dir im Schadensfall leichter machen, angemessene Entschädigungsleistungen zu erhalten. Bist du demnach Opfer einer Gewalttat geworden und hast Folgeschäden erlitten, die sowohl gesundheitlicher als auch wirtschaftlicher Natur sein können, wird dir nun direkter und auch unbürokratischer geholfen.

Bis zum 1. Januar 2024 verhielt es sich so, dass sich die Regelung zu deiner Opferentschädigung auf verschiedene Gesetze verteilte. Inzwischen werden das Opferentschädigungsgesetz, das Bundesversorgungsgesetz, das Infektionsschutzgesetz oder auch das Zivildienstgesetz durch entsprechende Vorschriften im Vierzehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV) ersetzt.

Transparenz lautet das Stichwort, um deinen Anspruch auf Opferentschädigung, also auf Leistungen der Sozialen Entschädigung, geltend zu machen. Du musst dich folglich nicht mehr durch einen Paragrafendschungel kämpfen, sondern du weißt sofort, wo du welche Hilfe bekommst. Und damit dies auch noch schneller vonstattengehen kann, stehen dir gleich mehrere Anlaufstellen zur Antragstellung zur Verfügung, inklusive der Hilfe beim Ausfüllen.

Voraussetzungen Wann bekommt man eine Opferentschädigung?

Du kannst dann einen Anspruch auf Opferentschädigung geltend machen, wenn du gemäß § 4 SGB XIV eine gesundheitliche Schädigung erfahren hast, die bei dir zu anerkannten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen geführt hat. Dabei liegt eine gesundheitliche Schädigung dann vor, wenn dir gegenüber gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB XIV jemand eine Gewalttat, also einen rechtswidrigen, vorsätzlichen tätlichen Angriff, verübt hat.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 SGB XIV ist auch eine psychische Gewalttat zu bejahen, wenn ein „vorsätzliches, rechtswidriges, unmittelbar gegen die freie Willensentscheidung einer Person gerichtetes schwerwiegendes Verhalten“ vorliegt. Dies ist bei besonders schlimmen Voraussetzungen der Fall, so etwa, wenn du Opfer sexuellen Missbrauchs (§ 174 StGB), der sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung (§ 177 und § 178 StGB) wurdest.

Im Rahmen der Opferentschädigung geht es zunächst darum, deine körperliche und seelische Gesundheit bestmöglich wiederherzustellen. Daneben soll dir im nächsten Schritt die vollständige Teilnahme am gewohnten, gesellschaftlichen Leben wieder ermöglicht werden. Das Opferentschädigungsrecht ist im Übrigen nicht nur auf Deutsche anwendbar. Denn § 7 SGB XIV betont ausdrücklich, dass Ausländer diesbezüglich dieselben Rechte besitzen bzw. dieselben Ansprüche geltend machen können.

Gibt es auch eine Opferentschädigung für Dritte?

Du bist nicht selbst Opfer einer Gewalttat geworden, hast aber eine solche Tat miterleben müssen? Dann kann dir im Fall einer sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) dennoch eine Opferentschädigung zustehen. Wenn du demzufolge eine schreckliche, für dich nachhaltig belastende Erfahrung machen musstest und fortan Angstsymptome deinen Alltag begleiten, hast du ebenfalls Anspruch auf Leistungen der Sozialen Entschädigung. Denn es ist durchaus nachvollziehbar, dass sich bei dir ein solcher Schockschaden manifestiert, wenn die Tat besonders grausam war oder das Opfer eine dir nahestehende Person, wie z. B. dein Partner, war.

In dem Zusammenhang ist ergänzend zu erwähnen, in welchen Fällen du dagegen keinen Anspruch auf Opferentschädigung hast! Dies ist nämlich dann zu verneinen, wenn du dir die Schädigung entweder selbst zugefügt bzw. verursacht hast oder wenn du zwar angegriffen wurdest, du jedoch einer kriminellen Vereinigung angehörst.

Opferentschädigung: Tabelle der Entschädigungszahlungen

Wie hoch fällt aber nun deine Entschädigung aus? Wie viel Geld steht dir monatlich an staatlichen Leistungen zu? Um die deinem Fall entsprechende Entschädigungszahlung bestimmen zu können, muss der Grad der Schädigungsfolgen bestimmt werden. Dieser reicht von 30 % bis zu 100 % und beschreibt je nach Ausmaß, wie stark sich die Folgen der erlittenen Schädigung für dich auswirken.

Hierzu werden die Zahlungen gemäß § 83 Abs. 1 SGB XIV in fünf verschiedene Kategorien unterteilt, die wir dir anhand nachstehender Tabelle (Stand: Juli 2024) aufzeigen wollen:

Höhe der Entschädigungszahlung (erfolgt monatlich an dich)

Grad der Schädigungsfolgen (GdS)

418 Euro

30 und 40

837 Euro

50 und 60

1255 Euro

70 und 80

1673 Euro

90

2091 Euro

100

Welche Leistungen kannst du neben Geldleistungen sonst beanspruchen?

Die Regelungen zur Opferentschädigung sehen vor, dass dir neben rein monetären Entschädigungsleistungen noch weitere Hilfeleistungen zustehen können. Diese sind in § 26 Abs. 3 SGB XIV aufgelistet und beinhalten folgende Bereiche:

  • Krankenbehandlung der Sozialen Entschädigung (z. B. Versorgung mit Hilfsmitteln oder Zuschüsse zum Zahnersatz) 

  • Leistungen zur Teilhabe (z. B. Bildung, medizinische Rehabilitation)

  • Leistungen zur Pflegebedürftigkeit

  • Leistungen zur Weiterführung des Haushalts (z. B. persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen)

Hast du einen bestätigten Anspruch auf Opferentschädigung, so finden sich entsprechende Regelungen zu Umfang und Höhe der Entschädigungszahlungen im Bundesversorgungsgesetz.

Wie hoch ist die Abfindung oder Einmalzahlung der Opferentschädigung?

Auch, wenn du den Eingang monatlicher Entschädigungszahlungen auf deinem Konto als beruhigend und hilfreich ansehen magst – du kannst dich gemäß § 26 Abs. 2 SGB XIV letztendlich zwischen diesen regelmäßigen Opferentschädigungen auf der einen Seite und einer Einmalzahlung bzw. Abfindung (§ 84 Abs. 1 S. 2 SGB XIV) auf der anderen Seite entscheiden.

Während dir als Opfer die Zahlungen so lange zur Verfügung stehen oder gezahlt werden, wie die körperlichen und psychischen Leiden andauern, bekommst du im Fall einer Abfindungszahlung das 60-Fache der dir zugesprochenen monatlichen Entschädigung ausbezahlt. Damit machst du gleichzeitig einen Anspruch auf Opferentschädigung für eine Dauer von fünf Jahren geltend. Sind die Folgeschäden nach dieser Zeit noch nicht verschwunden, kannst du jedoch erneut einen Antrag auf Entschädigungszahlungen stellen.

Wählst du die Abfindung als Opferentschädigung, so hast du nach Bewilligung der Leistungen auf Soziale Entschädigung ein Jahr Zeit, um den verbleibenden Rest als Einmalzahlung zu beantragen.

Aber wie ist der Antrag auf Opferentschädigung grundsätzlich zu stellen? Und vor allem bei welchem Amt oder welchen Ämtern?

Antrag stellen Wo und wie kann ich einen Antrag auf Opferentschädigung stellen?

Als das Opferentschädigungsgesetz 2024 als deutsches Bundesgesetz durch die Einordnung in das Vierzehnte Buch Sozialgesetzbuch sozusagen „abgeschafft“ wurde, traten für Opfer von Gewalttaten einige Erleichterungen ein. Sollte für dich nun ein Anspruch auf Entschädigungszahlungen bestehen oder infrage kommen, musst du nicht lange auf die Suche nach der richtigen Stelle bzgl. der Antragsstellung gehen. Vielmehr kannst du dich hierfür gleich an verschiedene Stellen wenden.

In der Regel ist die für deine Region bzw. dein Bundesland zuständige Versorgungsbehörde deine erste Anlaufstation, um die Opferentschädigung zu beantragen. Hier findest du die entsprechenden Anträge, kannst auf Hilfe beim Ausfüllen zurückgreifen und den Antrag schließlich dort abgeben.

Befindet sich eine solche Versorgungsbehörde nicht gerade in deiner näheren Umgebung, so besteht die Möglichkeit, deinen Antrag bei den Sozialleistungsträgern wie Krankenkasse oder Rentenversicherung abzugeben. Weite Wege dürften damit der Vergangenheit angehören.

Was kann ich tun, wenn mein Antrag abgelehnt wurde?

Wird dein Antrag auf Opferentschädigung abgelehnt und dir dadurch die Leistungen der Sozialen Entschädigung versagt, muss du nicht gleich die Flinte ins Korn schmeißen. Wenn du weiterhin der Meinung bist, dass dir durch ein Ereignis wie eine erlebte Gewalttat gesundheitliche Folgeschäden entstanden sind, kannst du gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch einlegen.

Wird auch der von dir erhobene Widerspruch negativ von der zuständigen Stelle beschieden, steht dir der Rechtsweg in Form einer Klage vor dem zuständigen Sozialgericht gegen die Entscheidung offen.

Bedenke, dass du bei diesem größeren Schritt auf Unterstützung zurückgreifen kannst! Falls du eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hast, kann sie je nach geltenden Bedingungen für deine Klage anwendbar sein. Auch die Beratungs- bzw. Prozesskostenhilfe können infrage kommen. Darüber hinaus kann dir der Weiße Ring weitere Hilfe bieten und dazu beitragen, dass du deinen Anspruch auf dem Klageweg durchsetzen kannst. 

Gibt es eine Anrechnung der Opferentschädigung auf die Grundsicherung oder andere Leistungen?

Bist du Opfer einer Gewalttat geworden, hat der Staat dich aus seiner eigenen Sicht nicht ausreichend genug vor dieser Gefahr und dem Schadenseintritt beschützt. Sein Ziel ist es, dich trotz der z. T. posttraumatischen Erlebnisse – sowohl aus gesundheitlichen als auch wirtschaftlichen Aspekten – wieder in den Alltag zu integrieren. Wohl auch aus diesen Gründen regelt § 28 SGB XIV, dass empfangene Leistungen anderer Träger nicht auf deine Entschädigungszahlungen angerechnet werden.

§ 28 Abs. 2 SGB XIV:

Entschädigungszahlungen nach Kapitel 9 und die Einmalzahlungen nach § 102 Absatz 4 und 5 werden nicht als Einkommen oder Vermögen auf andere Sozialleistungen oder auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angerechnet.

Daneben erfolgt auch keine Anrechnung von Leistungsansprüchen aus privaten Sicherungs- oder Versorgungssystemen auf Leistungen der Opferentschädigung.

Opfer von Gewalttaten? So hilft dir ein KLUGO Partner-Anwalt weiter

Du warst einer Gewalttat ausgesetzt und leidest seitdem an gesundheitlichen Folgeschäden? Wenn du unsicher bist, ob du einen Anspruch auf Opferentschädigung geltend machen kannst, solltest du dir Hilfe von einem KLUGO Partner-Anwalt einholen. Wir beraten dich unverbindlich und schnell.

Über unsere AutorenGöran Ruser

Göran Ruser ist Diplom-Jurist und als selbstständiger Texter für KLUGO tätig. Seine langjährige Erfahrung im juristischen Bereich und als stellvertretender Abteilungsleiter juristischer Korrespondenzabteilungen bietet die beste Grundlage, um als Experte im Arbeitsrecht, Mietrecht und Verkehrsrecht zu fungieren. Sein Augenmerk liegt darin, komplizierte Rechtsthemen in einer klaren, leicht verständlichen Sprache, die auch juristischen Laien verstehen, zu schaffen und somit Recht für alle zugänglich zu machen. Denn das Ziel eines jeden Rechtsratgebers ist es immer, die Fragen des Lesers gezielt und prägnant zu beantworten, um ihm eine Hilfestellung für sein Problem zu bieten.

Goeran Ruser