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Geburtsfehler – Entschädigung & Vorgehen
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Geburtsfehler: Entschädigung, Vorgehen und Verjährung

Das Kinderzimmer wurde eingerichtet, ein Termin in der Geburtsklinik ist ausgemacht – für Eltern ist die Geburt, ein freudiges Ereignis, dem Monate der Vorbereitung vorausgehen. Doch was passiert, wenn bei der Geburt Komplikationen auftreten und das Kind einen Geburtsschaden erleidet? Betroffenen Eltern steht eine Entschädigung bei Geburtsfehler zu – doch nicht immer lässt sich ein Geburtsschaden so einfach nachweisen. Was Sie im Hinblick auf Beweislast, Verjährungsfrist und Schmerzensgeld bei Geburtsfehlern wissen müssen, erfahren Sie hier.

Das Wichtigste in Kürze

  • Von einem Geburtsfehler spricht man immer dann, wenn es während der Geburt zu Komplikationen kam und Kind oder Mutter dadurch einen Schaden davontragen.
  • Betroffene haben Anspruch auf Schadensersatzzahlungen und Schmerzensgeld.
  • Die Höhe des Schmerzensgeldes und Schadensersatzes hängt immer vom individuellen Einzelfall ab.
  • Damit diese Zahlungen durchgesetzt werden können, muss das Fehlverhalten des medizinischen Personals einwandfrei nachgewiesen werden.

Was ist ein Geburtsfehler?

Grundsätzlich spricht man in der Medizin immer dann von einem Geburtsfehler, wenn bei dem Neugeborenen zum Zeitpunkt der Geburt ein Defekt vorliegt. Unabhängig davon, ob es sich um einen genetischen Defekt handelt oder der Schaden aufgrund von Fehlentscheidungen beim Geburtsvorgang entstanden ist. An einem genetischen Defekt trägt natürlich niemand die Schuld. Anders sieht es dagegen aus, wenn es bei der Geburt zu Fehlern kam, zum Beispiel durch Ärzte oder Hebammen, und der Geburtsfehler aus ebendiesem Fehlverhalten resultiert. Nicht nur das Kind selbst kann von einem Geburtsfehler betroffen sein, sondern auch die Mutter. Heißt konkret: Kam es zu einem Behandlungsfehler bei der Geburt und Kind und/oder Mutter tragen einen dauerhaften Schaden davon, so spricht man auch rechtlich von einem Geburtsfehler.

Vermeidung von Geburtsschäden – Infografik
Vermeidung von Geburtsschäden – Infografik

Im Rechtssystem geht ein Geburtsschaden immer auf einen Diagnosefehler oder eine fehlerhafte Therapie durch das medizinische Personal zurück – es handelt sich also um einen Behandlungsfehler. Davon ist die Rede, sobald Mutter oder Kind gesundheitlich geschädigt werden. Es kann sich sowohl um körperliche als auch psychische Schäden handeln.

Nicht jeder Geburtsfehler geht auf ein Fehlverhalten des medizinischen Personals zurück. Ist dies jedoch der Fall, steht Ihnen möglicherweise Schadensersatz zu. In einem solchen Fall sollten Sie unbedingt auf rechtlichen Beistand zurückgreifen.

Was sind die häufigsten Geburtsfehler?

Einige Geburtsschäden treten besonders häufig auf, andere sind überaus selten. Wir haben einen Blick auf die verschiedenen Geburtsfehler geworfen und sind dabei auch darauf eingegangen, wie sich diese Behandlungsfehler auf das Kind oder die Mutter auswirken können.

1. Sauerstoffmangel bei der Geburt

Der häufigste Geburtsfehler ist mit Abstand der Sauerstoffmangel, dem das Neugeborene während des Geburtsprozesses ausgesetzt war. Ein solches Trauma hat weitreichende Konsequenzen, denn nicht selten bleiben Kinder nach dem Sauerstoffmangel schwerstbehindert zurück. Die Ursachen, aufgrund derer während der Geburt ein Sauerstoffmangel auftreten kann, sind vielseitig. Besonders häufig kommt es zu einem hypoxischen Hirnschaden. Damit es zu einem solchen Geburtsfehler kommen kann, muss es bei den notwendigen Voruntersuchungen zu massiven Fehlern kommen. Auch eine nicht rechtzeitige oder inkorrekte Abwägung zwischen einer natürlichen Geburt und einem Kaiserschnitt (auch Sectio genannt) kann zu einem Sauerstoffmangel während der Geburt führen. Das ist zum Beispiel bereits dann der Fall, wenn das Fruchtwasser eine grünliche Farbe aufweist – die wiederum auf einen Sauerstoffmangel hindeutet – und nicht umgehend ein Kaiserschnitt eingeleitet wird.

Verzögert sich die Geburt einer werdenden Mutter erheblich, griffen in den letzten Jahren einige Ärzte zu einem nicht für die Geburtsbeschleunigung zugelassenen Magenmedikament, was regelrechte Wehen-Stürme auslöste. Infolgedessen riss bei einigen Frauen die Gebärmutter, was ebenfalls zu einem schweren Sauerstoffmangel beim Kind führte. Führt die nicht zugelassene Nutzung von Medikamenten beim Geburtsvorgang zu einem Geburtsschaden, so ist das medizinische Personal haftbar.

2. Herzprobleme nicht oder nicht rechtzeitig erkannt

Leidet ein Kind unter Herzproblemen, muss dies bei der Geburt bedacht werden – denn hier müssen entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Wurden im Vorfeld nicht ausreichend Untersuchungen durchgeführt oder wurde der Herzfehler bei diesen Untersuchungen nicht erkannt, so handelt es sich ebenfalls um einen Geburtsschaden. Auch ein unterlassenes CTG vor der Geburt, das den Herzschlag des Babys misst und die Reaktionen auf die Wehen darstellt, kann – sofern es im Anschluss zu einem Geburtsschaden kommt – Grund für eine mögliche Klage sein. Das gilt auch dann, wenn zwar ein CTG durchgeführt wurde, aber die Auswertung fehlerhaft war.

3. Schulterdystokie

Bleibt während der Geburt der Kopf des Babys im Becken der Mutter hängen, kommt es zu einem Stillstand bei der Geburt. Wird die Fehlstellung nicht rechtzeitig korrigiert, klemmt dies die Nerven des Neugeborenen ab und es kann zu einer Lähmung kommen. Eine zu lang andauernde Schulterdystokie führt zudem häufig zu einem Sauerstoffmangel beim Kind.

4. Fehlerhafte Periduralanästhesie (PDA)

Nicht nur das Kind kann unmittelbar von einem Geburtsfehler betroffen sein, sondern auch die Mutter. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die PDA – also die Periduralanästhesie zur Erleichterung der Geburt – fehlerhaft durchgeführt wird. Hier sind nicht nur Gesundheitsschäden eine mögliche Folge, sondern sogar der Tod der Mutter.

Es gibt eine Vielzahl möglicher Geburtsfehler. Nicht alle können hier aufgelistet werden. Wenn Sie der Meinung sind, dass es bei Ihrer Geburt zu einem Geburtsschaden kam, der durch das medizinische Personal verursacht wurde, sollten Sie rechtliche Schritte einleiten.

Wie muss man nach einem Geburtsfehler vorgehen?

Einem Laien fällt die Beurteilung, ob es aufgrund einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung zu einem Geburtsschaden kam, nicht immer leicht. Daher müssen zunächst entsprechende Beweise gesammelt werden. Das gilt auch dann, wenn sich die möglichen Langzeitfolgen eines Geburtsfehlers noch gar nicht zeigen – denn nur wenn Sie alle Ansprüche rechtzeitig geltend machen, ist im Verlauf eine Schadensersatzzahlung möglich.

Sind Sie der Meinung, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler einen Geburtsschaden ausgelöst hat, gehen Sie wie folgt vor.

1. Patientenakte sichern

In der Patientenakte wird der gesamte Verlauf der Geburt festgehalten, inklusive aller Untersuchungen und Medikamente, die verabreicht wurden. Nur mithilfe der Patientenakte können Sie klären, ob es zu einem Behandlungsfehler durch das medizinische Personal kam. So haben Sie auch direkt Beweise an der Hand, falls es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt. Als Patient haben Sie auch ohne Angabe von Gründen das Recht, jederzeit die Patientenakte einzusehen und eine Kopie zu erhalten (§ 630g BGB).

Achten Sie dabei darauf, die richtigen Dokumente anzufordern und zu sichern. Bei einem Geburtsfehler sind dies unter anderem:

  • Geburtsprotokoll inkl. Angabe zum pH-Wert des Nabelschnurblutes und des Apgar-Wertes
  • Alle Berichte zu im Vorfeld durchgeführten Kontrolluntersuchungen
  • Mutterpass
  • Untersuchungsunterlagen des Kinderarztes
  • Aufzeichnungen des Wehenschreibers (CTG) während des Geburtsvorgangs
  • Aufnahme- und Entlassungsbericht des Krankenhauses
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Wenn Sie Sorge haben, während der rechtlichen Verfolgung des Geburtsfehlers einige Details zu vergessen, können Sie frühzeitig ein möglichst detailliertes Erinnerungsprotokoll erstellen. Darin halten Sie mögliches Fehlverhalten fest, das Ihnen während des Geburtsvorgangs aufgefallen ist. Nicht nur die werdende Mutter kann ein solches Erinnerungsprotokoll aufsetzen, sondern zum Beispiel auch nahe Familienangehörige, die während der Geburt vor Ort waren. Je detaillierter das Erinnerungsprotokoll ist, desto besser.

2. Rechtsberatung einholen

Wenn Sie von einem Geburtsfehler betroffen sind, sollten Sie so schnell wie möglich die Beratung eines Anwalts für Medizinrecht in Anspruch nehmen. Bei den Schadensersatzansprüchen nach Geburtsschäden handelt es sich um die mitunter höchsten Schadensersatzzahlungen, die im deutschen Recht vorgesehen sind. Zusätzlich zu dem unmittelbar entstandenen Schaden während der Geburt sind Mutter und Kind meist für den Rest ihres Lebens von den Folgen betroffen. Auch die Kosten für die Pflege, die Medikamente und notwendige Therapien fallen möglicherweise unter die Schadensersatzzahlungen, ebenso wie ein Umbau von Haus und Kraftfahrzeug, falls es zu einer körperlichen Behinderung kommt. Kann ein Elternteil aufgrund des hohen Pflegebedarfs keiner Tätigkeit mehr nach gehen, ist auch der Verdienstausfall durch die Schadensersatzzahlungen abgedeckt. Aber: Nur mithilfe eines Rechtsanwalts für Medizinrecht haben Sie die Möglichkeit, diese Ansprüche durchzusetzen. Ein Fachanwalt für Medizinrecht kann Ihnen nicht nur mitteilen, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler zum Geburtsschaden geführt hat, sondern informiert Sie auch über die mögliche Höhe von Schmerzensgeld und Schadensersatz. Zudem begleitet er Sie während des gesamten Prozesses mit seiner Expertise.

3. Keine Strafanzeige stellen

Nach einem Geburtsfehler ist die Wut groß. Man möchte die Verantwortlichen bestrafen – und da liegt eine Strafanzeige gegen das medizinische Personal auf der Hand. In den meisten Fällen ist dies jedoch keine sinnvolle Idee, da es nach einem Geburtsfehler weniger darum gehen sollte, das Personal in die Verantwortung zu nehmen, als darum, das restliche Leben von Mutter und Kind abzusichern. Schmerzensgeld und Schadensersatz können nur im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens erstritten werden. Wenn Sie sich dazu entschließen, Strafanzeige gegen das medizinische Personal zu stellen, wird das Zivilverfahren hinten angestellt, sodass es einige Jahre länger dauern kann, ehe Sie eine Entschädigungszahlung erhalten.

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Ein Strafverfahren wird vom Gesetzgeber immer höher bewertet als eine zivilrechtliche Klage. Stellen Sie Strafanzeige gegen das medizinische Personal, muss zunächst der gesamte Strafverfolgungsprozess abgeschlossen werden, ehe Sie Schadensersatzforderungen geltend machen können.

4. Abfindungen ablehnen

Für die Schadensersatzforderungen und Schmerzensgeldzahlungen nach einem Geburtsschaden kommt die Haftpflichtversicherung von Ärzten auf. Dennoch versucht das medizinische Personal häufig, ein Abfindungsangebot zu machen, um sich so mit einer freiwilligen Einmalzahlung aus möglichen Spätkosten herauszuwinden. Meist sind die angebotenen Abfindungen sehr viel niedriger als die Zahlungen, die im Falle einer Schadensersatzklage fällig werden. Daher sollte man eine Abfindung nach Geburtsfehlern stets von einem Fachanwalt für Medizinrecht prüfen lassen und ggf. ablehnen.

Wann besteht nach einem Geburtsfehler Anspruch auf Entschädigungszahlungen?

Kommt es bei der Geburt zu einem Geburtsschaden, der entweder eine akute oder dauerhafte Einschränkung der Gesundheit des Kindes oder der Mutter mit sich bringt, können die betroffenen Familien Schmerzensgeld und, unter Umständen, Schadensersatz fordern. Ein Kleinkind ist natürlich noch nicht dazu imstande, seine Ansprüche selbst vor Gericht durchzusetzen, daher muss dies durch die Eltern, die gesetzliche Vertreter (§ 1629 Abs. 1 S. 1 BGB) des Neugeborenen sind, geltend gemacht werden.

Damit dies möglich ist, müssen gleich zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Das Verschulden der Ärzte oder des medizinischen Personals kann nachgewiesen werden: Die Kläger, in diesem Fall also die Eltern, sind in der Nachweispflicht für medizinisches Fehlverhalten. Mit der Beweispflicht geht einher, dass der Diagnose- oder Behandlungsfehler eindeutig nachgewiesen werden kann und auch, dass es sich dabei tatsächlich um die Ursache des gesundheitlichen Schadens handelt.
  • Die Verjährung ist noch nicht eingetreten: Ein Geburtsfehler muss innerhalb einer Frist von 3 Jahren (§ 195 BGB) geltend gemacht werden. Ist diese Frist abgelaufen, besteht kein Anspruch mehr auf Schadensersatzzahlungen oder Schmerzensgeld.
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Einen Geburtsschaden nachweisen zu können, ist manchmal schwieriger als gedacht. Beauftragen Sie einen Fachanwalt für Medizinrecht, der die Unterlagen prüfen und einen Arztfehler oder Behandlungsfehler erkennen kann.

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Schmerzensgeldtabelle bei Geburtsfehlern

Sachverhalt Urteil Schmerzensgeld
Wegen ärztlicher Fehler bei einer Entbindung erleidet Kind Hirnschäden. LG Freiburg, 2007, Az. 5 O 10/05 250.000 €
In einer Münchner Klinik verabreichte eine Hebamme trotz Hinweises der Mutter auf eine bestehende Arzneimittelunverträglichkeit dieser gegen den Wehenschmerz ein Medikament mit einem Wirkstoff, auf den sie allergisch war. Der dadurch ausgelöste Kreislaufschock führte trotz sofort eingeleiteter Geburt zu schwersten und dauerhaft irreparablen Geburtsschäden bei dem heute 9 Jahre alten Kind, dessen Gehirn während der Geburt nicht ausreichend versorgt worden war. LG München I, 2005, Az. 9 O 6741/98   350.000 € + monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 500 €
Hebamme unterlässt Vorlagenkontrolle, obwohl sie weiß, dass bei der Schwangeren Blutungen vorliegen. In der Folge kam es zu einem Hirnschaden des Kindes. OLG Rostock, 2021, Az. 5 U 119/13 300.000 €
Aufgrund einer Verwechslung des Herzschlages von ungeborenem Kind und Mutter, kam es zu einer Sauerstoffunterversorgung des heute 8-jährigen Mädchens, mit der Folge eines schweren Hirnschadens. OLG Oldenburg, 2019, Az. 5 U 108/18 500.000 €
Gynäkologe geht mit einem pathologischen CTG behandlungsfehlerhaft um, sodass das Kind mit einer Verzögerung von 45 Minuten entbunden wurde und eine schwere Hirnschädigung erlitt. OLG Hamm, 2018, Az. 3 U 63/15  400.000 €
Eine verspätet durchgeführte Sectio aufgrund mehrerer Behandlungsfehler führt bei Säugling zu schweren hypoxischen Hirnschäden, wodurch es dauerhaft unter schweren Entwicklungsstörungen zu leiden hat. OLG Hamm, 2017, Az. 26 U 88/16 250.000 €
Aufgrund einer verspäteten Einleitung einer Notsectio kam es zu einem Sauerstoffmangel bei einem Baby während der Geburt. OLG Hamm, 2015, Az. 26 U 108/13 300.000 €
Kind erleidet wegen eines zu spät eingeleiteten Notkaiserschnitts eine Hirnschädigung mit der Folge eines Entwicklungsrückstandes mit schwerer geistiger und körperlicher Behinderung. OLG Koblenz, 2009, Az. 5 U 1212/07 350.000 € + 500 € für die Mutter

Wie können Sie einen Geburtsfehler beweisen?

Da die Eltern in der Beweispflicht stehen, obliegt es auch ihnen allein, den Fehler während des Geburtsprozesses nachzuweisen – egal ob es sich um eine falsche Diagnose oder einen Behandlungsfehler handelt. In manchen Fällen genügt bereits ein Blick in die Patientenakte, um einen Geburtsfehler eindeutig nachweisen zu können. Manchmal ist jedoch auch ein medizinisches Gutachten notwendig, um einen Geburtsfehler nachweisen zu können. Ein Fachanwalt für Medizinrecht kann Ihnen eine erste Einschätzung zum Sachverhalt geben und auch die medizinischen Gutachten beauftragen, falls diese notwendig sind. Das gilt auch dann, wenn der Geburtsschaden bei der Mutter vermutet wird.

Aber: Nicht immer liegt die Beweislast tatsächlich bei den Eltern. Es gibt auch Fälle, in denen Ärzte und medizinisches Fachpersonal nachweisen müssen, keinen Fehler bei der Geburt gemacht und damit die Gesundheit von Mutter und Kind riskiert zu haben.

Zu einer sogenannten Beweislastumkehr bei Geburtsschäden kommt es immer dann, wenn:

  • keine Patientenakte vorliegt oder diese unvollständig ist (§ 630h Abs. 3 BGB),
  • Mutter und/oder Kind von nicht dafür qualifizierten Personal behandelt wurden oder
  • der Arzt und/oder das medizinische Pflegepersonal nicht auf die eindeutigen Symptome von Mutter und/oder Kind reagieren.

Wann verjähren Ansprüche wegen Geburtsfehlern?

Nach einem Geburtsfehler haben Mutter und Kind Anspruch auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld. Um den entstandenen Schaden geltend machen zu können, gibt es jedoch festgelegte Fristen. So verjähren Ansprüche aufgrund von Geburtsschäden nach einer Frist von 3 Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt, an dem der Schaden entstanden ist und die Geschädigten Kenntnis vom Geburtsschaden erlangt haben. Konkret bedeutet dies:

Eine Mutter bekommt im August 2018 ihr Kind. Eigentlich war eine natürliche Geburt geplant, allerdings kommt es im Verlauf des Geburtsvorgangs zu Komplikationen, sodass ein Notkaiserschnitt notwendig ist. Alle behandelnden Ärzte sind jedoch unabkömmlich, sodass der Kaiserschnitt nur mit Verzögerung durchgeführt werden kann. Wenige Stunden später kommt das Kind durch einen Kaiserschnitt zur Welt. Im April des Folgejahres stellt der Kinderarzt fest, dass es aufgrund des zu spät eingeleiteten Notkaiserschnitts zu einem Sauerstoffmangel beim Kind kam und eine Hirnschädigung vorliegt. Die Verjährungsfrist beginnt damit am 31.12.2019. Das Ende der Verjährungsfrist ist der 31.12.2022. Bis dahin haben die Eltern Zeit, ein Klageverfahren aufgrund eines Geburtsfehlers einzuleiten und Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld von den Ärzten zu fordern.

Es gibt jedoch auch hier eine Ausnahme: Vermutet man als Elternteil einen Geburtsfehler, kann man einen sogenannten Feststellungsantrag stellen. Wird nun festgestellt, dass ein Anspruch besteht, verlängert sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn mögliche Geburtsfehler keine unmittelbaren Konsequenzen haben, in der Zukunft jedoch solche befürchten lassen. Der Feststellungsantrag muss beim zuständigen Gericht eingereicht werden. Auch hier ist es ratsam, auf die Unterstützung eines Fachanwalts für Medizinrecht zu setzen.

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Grundsätzlich verjähren Geburtsfehler nach einer Frist von 3 Jahren. Vermutet man lediglich Langzeitschäden, kann diese aber zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht nachweisen, kann man beim zuständigen Gericht einen Feststellungsantrag stellen. Dann liegt die Verjährungsfrist für Geburtsfehler bei 30 Jahren.

Welche Entschädigungszahlungen können betroffene Familien erwarten?

Jeder Fall eines Geburtsfehlers ist einzigartig. Dementsprechend sind auch die Entschädigungsleistungen sehr individuell und lassen sich nur schwer im Vorfeld bestimmen.

Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass betroffene Eltern ein Anrecht auf Schadensersatz und möglicherweise Schmerzensgeld haben:

  • Schmerzensgeld ist ein finanzieller Ausgleich für immaterielle Schäden und
  • Schadensersatz ist gedacht, um materielle Schäden abzudecken, z. B. Pflegeaufwand, Therapien, Medikamente, Erwerbsausfälle oder Betreuungskosten

Die Höhe des Schmerzensgeldes und Schadensersatzes bemisst sich dabei immer anhand verschiedener Faktoren:

  • Ausprägung der körperlichen oder geistigen Schädigung
  • Konsequenzen des Geburtsfehlers, z. B. Dauer der Erkrankung, notwendige Aufenthalte in Krankenhäusern und bei Reha-Maßnahmen
  • Der Beeinträchtigung, die im Alltag und im Beruf zu erwarten ist
  • Der Intensität und Dauer möglicher Schmerzen
  • Folgeschäden, die durch den Geburtsfehler entstanden sind
  • Behinderungen und körperliche Entstellungen, die durch den Geburtsfehler entstanden sind

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Beim Schadensersatz kommt es auch auf die unmittelbaren Kosten an, denen sich die Familie gegenüber sieht:

  • Kosten für Medikamente, die aufgrund des Geburtsschadens notwendig sind
  • Entstehender Mehrbedarf, zum Beispiel bei körperlichen Behinderungen – dazu zählen z. B. Umbaumaßnahmen am Haus und Kraftfahrzeug, um behindertengerecht eingerichtet zu werden
  • Ausgaben für die Pflege des Betroffenen (z. B. Pflegedienst, Haushaltshilfe)
  • Erwerbsausfälle, weil ein Elternteil zur Pflege des Kindes den Beruf aufgeben muss

Weitere Informationen zu Schadensersatz bei Behandlungsfehlern erhalten Sie in diesem Beitrag.

Wie kann man Entschädigungszahlungen für Geburtsschäden geltend machen?

Grundsätzlich gibt es für Eltern und Betroffene zwei Möglichkeiten, zu Ihrem Recht zu kommen: mit einer gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche oder mit einer außergerichtlichen Einigung. Bei der außergerichtlichen Einigung sollten Sie gemeinsam mit einem Fachanwalt für Medizinrecht versuchen, die Entschädigungsansprüche bei der Haftpflichtversicherung des behandelnden Arztes oder medizinischen Personals geltend zu machen. Hier führt der Anwalt maßgeblich die Verhandlungen, die sowohl Schmerzensgeld als auch Schadensersatz beinhalten können. Dabei sollten auch entstehende Folgekosten bedacht werden, mit denen in der Zukunft zu rechnen ist – zum Beispiel Pflegekosten und Therapiemaßnahmen. Allerdings ist die Haftpflichtversicherung der Verursacher nicht immer zu einer Zahlung bereit. In einem solchen Fall bleibt nur das gerichtliche Verfahren.

Dafür muss der Fachanwalt für Medizinrecht beim zuständigen Gericht Klage einreichen. Dies ist häufig für die Familien besonders belastend, da von der Klage bis zum endgültigen Urteil teilweise mehrere Jahre vergehen können. Auch die Kosten eines Gerichtsverfahrens spielen dabei eine wichtige Rolle. Nachdem der Fachanwalt für Medizinrecht bei Gericht Klage eingereicht hat, muss zunächst ein Gerichtskostenvorschuss gezahlt werden. Die Höhe dieser Kosten bemisst sich am Streitwert – also dem Betrag, den die Verursacher voraussichtlich zahlen müssen. Erst nach der Zahlung des Gerichtskostenvorschusses beginnt der Prozess, indem die Klageschrift bei der Gegenseite zugestellt wird. Diese verfasst nun eine schriftliche Stellungnahme, die anschließend im Gerichtsverfahren angehört wird. Zusätzlich können hier Sachverständige ihre Einschätzung abgeben, Beweise gesichtet und Zeugen befragt werden. Im Anschluss entscheidet der Richter, ob es tatsächlich zu einem Geburtsfehler kam und welche Entschädigungszahlungen dafür im Raum stehen. Außerdem legt der Richter fest, binnen welcher Frist eine Auszahlung der Entschädigungszahlungen stattfinden muss.

Welche Kosten entstehen, wenn man Schadensersatz wegen eines Geburtsfehlers geltend machen möchte?

Welche Kosten in einem solchen Prozess zu erwarten sind, hängt von vielen Faktoren ab. Bei einer außergerichtlichen Einigung müssen lediglich die Kosten für den Fachanwalt für Medizinrecht getragen werden. Das Honorar bemisst sich dabei primär am Streitwert. Das Honorar, das ein Anwalt verlangen darf, ist über die Gebührentabelle des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) geregelt.

Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt. Hier gilt: Der Verlierer des Verfahrens trägt alle Kosten. Wird der Geburtsschaden vor Gericht nachgewiesen, muss die Gegenseite – also in diesem Fall Arzt und Pflegepersonal – nicht nur die eigenen Kosten für Anwalt und Gerichtsgebühren tragen, sondern auch die der Eltern. Kann der Richter jedoch kein schuldhaftes Verhalten seitens der Ärzte feststellen, sodass der Geburtsfehler nicht nachgewiesen werden kann, tragen die Kläger – also die Eltern – die gesamten Kosten des Prozesses. Da häufig auch Sachverständige im Prozess auftreten, die ebenfalls bezahlt werden müssen, können die Kosten eines solchen Prozesses rasch in die Höhe schnellen.

Dazu kommt die Tatsache, dass selbst bei guten Chancen auf ein erfolgreiches Verfahren die Kosten für den Anwalt und das Gericht zunächst vorgestreckt werden müssen. Heißt konkret: Selbst wenn Sie als Eltern gute Chancen haben, den Gerichtsprozess zu gewinnen, müssen Sie zunächst finanziell in Vorleistung gehen und die Kosten für den Anwalt und den Gerichtsprozess aufbringen. Das Geld wird erst nach Abschluss des Verfahrens erstattet, sofern der Richter Ihrer Klage recht gibt und der Geburtsfehler nachgewiesen werden kann. Wer eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, kann diese für die Kosten aufkommen lassen. Einkommensschwache Personen haben die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe durch den Staat zu beantragen.

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Ein Gerichtsverfahren aufgrund eines Geburtsfehlers kann teuer werden. Wer keine Rechtsschutzversicherung oder Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat, muss finanziell in Vorleistung gehen und die Kosten für Anwalt und Gericht zunächst selbst tragen. Erst wenn die Gegenseite rechtskräftig verurteilt wird, muss diese alle Kosten tragen.

Wie kann ein KLUGO Partner-Anwalt Sie unterstützen?

Vermuten Sie einen Geburtsfehler, der zu einer Behinderung oder Beeinträchtigung des Kindes führt, sollten Sie umgehend einen Fachanwalt für Medizinrecht kontaktieren. Dieser wird zunächst die Patientenakte sichern und sichten, um so einen ersten Eindruck zum Sachverhalt zu bekommen. Im Anschluss besprechen Sie mit Ihrem Fachanwalt für Medizinrecht die rechtlichen Möglichkeiten – zum Beispiel Schadensersatzforderungen oder Schmerzensgeld. Kommt es zu einem Gerichtsprozess aufgrund des Geburtsfehlers, unterstützt Sie der Fachanwalt für Medizinrecht auch hier mit seiner Expertise und beruft zum Beispiel Sachverständige ein, die den Geburtsschaden nachweisen können. Da die Haftpflichtversicherungen der Ärzte und des medizinischen Personals sich gut mit der Abwehr solcher Fälle auskennen, sollte man als Laie nicht versuchen, die Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld eigenständig und ohne Fachanwalt an Ihrer Seite durchzusetzen. Wenden Sie sich für eine erste Einschätzung zum Sachverhalt auch gern an die KLUGO Partner-Anwälte und Rechtsexperten, die Ihnen im Rahmen der telefonischen Erstberatung zur Verfügung stehen.

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Der Beitrag wurde mit großer Sorgfalt von der KLUGO-Redaktion erstellt und juristisch geprüft. Dazu ergänzen wir unseren Ratgeber mit wertvollen Tipps direkt vom Experten: Unsere spezialisierten Partner-Anwälte zeigen auf, worauf es beim jeweiligen Thema ankommt.