Wann der Bereitschaftsdienst vergütet werden muss Zählt der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit?

Wer Bereitschaftsdienst hat, muss sich in unmittelbarer Nähe zu seinem Arbeitsplatz aufhalten, um seine Arbeit jederzeit selbstständig aufnehmen zu können, wenn seine Arbeitskraft benötigt werden sollte. Doch wie wird der Bereitschaftsdienst arbeitsrechtlich gewertet? Zählt er als Arbeitszeit? Müssen Bereitschaftsdienste vergütet werden? Und wie ist der Bereitschaftsdienst von der Ruhebereitschaft und der Arbeitsbereitschaft abzugrenzen?

von N. Haussmann
11.11.2024
3 Min Lesezeit

Bereitschaftsdienst Das Wichtigste in Kürze

  • Bereitschaftsdienste sind seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2000 in vollem Umfang als Arbeitszeit anzurechnen.

  • Auch Pausenzeiten können als Arbeitszeit zählen, wenn sich der Arbeitnehmer in diesen jederzeit bereithalten muss, um seine Arbeit wiederaufzunehmen.

  • So entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Falle eines Bundespolizisten, der auf Anrechnung seiner Pausenzeiten als Arbeitszeit geklagt hatte.

  • Der Bereitschaftsdienst ist arbeitsrechtlich von der Rufbereitschaft und der Arbeitsbereitschaft abzugrenzen.

  • Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 30.09.24 bestätigt, dass Alarmbereitschaft bei der Feuerwehr als reguläre Arbeitszeit anerkannt wird.

Was versteht man arbeitsrechtlich unter Bereitschaftsdienst?

Ein Arbeitnehmer im Bereitschaftsdienst ist dazu verpflichtet, sich im Unternehmen oder zumindest in dessen unmittelbarer Nähe aufzuhalten, damit er seine Arbeit umgehend aufnehmen kann, wenn dies erforderlich ist.

Vom Bereitschaftsdienst betroffen sind viele Branchen. Neben Unternehmen, die einen 24-Stunden-Service anbieten, müssen sich unter anderem nicht nur Mitarbeiter der Feuerwehr, Polizei und Justiz, sondern auch Rettungssanitäter, Ärzte, Tierärzte, Bestatter und Mitarbeiter im Eisenbahnverkehr dann und wann zur Arbeit bereithalten. Ebenso gibt es für Erzieher, psychologische Dienste und in der Taxi- und Botenbranche Bereitschaftsdienste.

Was sind die Unterschiede zwischen Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Arbeitsbereitschaft?

Der Bereitschaftsdienst ist nicht die einzige Dienstform, bei der sich Arbeitnehmer zur Arbeit bereithalten müssen.

Er ist im Arbeitsrecht von der sogenannten Rufbereitschaft und der Arbeitsbereitschaft abzugrenzen:

  • Rufbereitschaft: Der Arbeitnehmer darf selbst entscheiden, wo er sich aufhält. Allerdings muss er sicherstellen, innerhalb eines bestimmten (mit dem Arbeitgeber vereinbarten) Zeitraums am Einsatzort sein und seine Arbeit aufnehmen zu können. Rufbereitschaft zählt nur dann als Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich zur Arbeit gerufen wird.

  • Arbeitsbereitschaft: Der Arbeitnehmer befindet sich an seinem Arbeitsplatz und muss sich für die Arbeit jederzeit einsatzbereit halten. Ein gutes Beispiel für die Arbeitsbereitschaft sind Taxifahrer. Anders als die Rufbereitschaft wird die Arbeitsbereitschaft voll als Arbeitszeit angerechnet.

Zählt Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit?

Arbeitsrechtlich zählt ein Bereitschaftsdienst seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2000 vollumfänglich als Arbeitszeit – unabhängig davon, ob im Bereitschaftsdienst tatsächlich gearbeitet wurde oder nicht. Allerdings muss der Bereitschaftsdienst nicht vollumfänglich vergütet werden. Meist erhalten Arbeitnehmer für Bereitschaftsdienste eine pauschale Vergütung oder einen bestimmten Prozentsatz ihres regulären Stundenlohns.

Einem neuen Urteil des BVerwG nach können auch Pausenzeiten, die in Bereithaltung verbracht werden müssen, als Arbeitszeit gelten und einen Anspruch auf einen Freizeitausgleich nach sich ziehen (BVerwG, Urt. v. 13.10.2022, Az. 2 C 24.21). Geklagt hatte ein Bundespolizist, der die Anrechnung von 1020 Pausenminuten als Arbeitszeit verlangte, weil er diese in Bereithaltung verbracht habe. In den Vorinstanzen wurde die Beklagte dazu verurteilt, 510 Minuten der Pausenzeit als Arbeitszeit anzurechnen. Bei der Revision vor dem BVerwG kamen weitere 105 Minuten hinzu.

Das BVerwG begründetet seine Entscheidung mit dem sogenannten beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch. Wenn ein Arbeitnehmer sich in seinen Pausen für die Arbeit bereitzuhalten habe, handele es sich um Arbeitszeit, weil die Pause nicht zur Entspannung genutzt werden könne. Entsprechend müsse eine Anrechnung auf die Arbeitszeit stattfinden.

Urteil vom 30.09.2024 Update: Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen erkennt Alarmbereitschaft als Arbeitszeit an

Das OVG NRW hat entschieden, dass Alarmbereitschaftszeiten bei der Feuerwehr vollständig als Arbeitszeit zu bewerten sind (Urteile vom 30.09.2024, Az. 6 A 856/23, 6 A 857/23). Zwei Feuerwehrmänner aus Mühlheim hatten geklagt und erhalten nun eine Entschädigung für Alarmbereitschaftszeiten, die über die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche hinausgingen.

Die Kläger forderten, dass Alarmbereitschaft als reguläre Arbeitszeit anerkannt wird, waren jedoch zuvor vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gescheitert. Das OVG entschied nun zugunsten der Feuerwehrmänner: „Die im Direktionsdienst geleisteten Alarmbereitschaftszeiten sind gemäß den europarechtlichen Vorgaben als volle Arbeitszeit zu werten“, so die Pressemitteilung des Gerichts.

Die Alarmbereitschaft umfasst 24-Stunden-Dienste, bei denen die Feuerwehrmänner keinen festen Aufenthaltsort haben, aber im Alarmfall innerhalb von 90 Sekunden ausrücken müssen. Diese strenge Reaktionszeit schränke die persönliche Zeitgestaltung erheblich ein, weshalb die Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit einzustufen seien.

Da durch diese Entscheidung die zulässige Wochenarbeitszeit der Kläger seit Jahren überschritten wurde, haben sie nun Anspruch auf Entschädigung. Ein Freizeitausgleich sei nicht möglich, weshalb der Anspruch in eine finanzielle Kompensation umgewandelt werde.

Bereits 2018 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem ähnlichen Fall entschieden, dass Rufbereitschaft als Arbeitszeit gilt.

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Dass der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zählt, ist keine Frage. Trotzdem kommt es zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern immer wieder zu Unstimmigkeiten, was die Anrechnung von Arbeitszeiten angeht. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann in solchen Fällen helfen, eine Lösung zu finden.

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Über unsere AutorenNina Haussmann

Nina Haussmann ist seit 2016 freiberufliche Texterin, Ghostwriterin und Lektorin. Mit einem Bachelor-Abschluss in Germanistik und Politikwissenschaften und einem Master-Abschluss in Deutscher Literatur hat sie nicht nur ein fundiertes Wissen über die Feinheiten der deutschen Sprache, sondern auch die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich aufzubereiten. Hauptsächlich schreibt sie Texte im juristischen Bereich, vorwiegend zum Thema Erbrecht, und Ratgebercontent. So unterstützt sie auch die KLUGO-Redaktion seit Anfang 2020 regelmäßig mit Blog- und Contentbeiträgen.

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