Kündigung ohne Abmahnung Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung
Anzügliche Bemerkungen oder wenn ständig Körperkontakt gesucht wird, sind Formen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Solche Verhaltensweisen können bereits ausreichen, um eine Kündigung auszusprechen. Aktuelle Urteile bestätigen, dass auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, wenn hier eine rote Linie überschritten wird.
Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung Das Wichtigste in Kürze
Unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten oder sexuelle Handlungen gelten gemäß dem AGG als Benachteiligung und diskriminierendes Verhalten.
Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Angestellten vor solchen Situationen zu schützen.
Bei sexueller Belästigung können Maßnahmen wie eine Ermahnung, Versetzung, Abmahnung oder sogar eine ordentliche oder fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung erfolgen.
Was zählt als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
Es handelt sich um eine sexuelle Belästigung, „wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird“, heißt es in § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Wenn die jeweilige sexuelle Handlung also bewirkt, dass die geschädigte Person ihre Würde verletzt sieht, liegt eine sexuelle Belästigung vor. Ob es sich um eine vorsätzliche Handlung handelt, sich die Person über die Wirkung ihrer Handlung also bewusst war, spielt dabei keine Rolle. Eine weitere Voraussetzung ist, dass das sexuelle Verhalten unerwünscht ist und die Person dies auch verbal oder nonverbal kommuniziert.
Dein Arbeitgeber ist verpflichtet, dich vor solchen Belästigungen zu schützen. Sollten sie trotzdem vorkommen, verstößt die handelnde Person gemäß § 241 Abs. 2 BGB gegen ihre Rücksichtnahmepflichten als Arbeitnehmer. Je nach Schwere können dann eine Ermahnung, Versetzung, Abmahnung oder sogar eine ordentliche oder fristlose Kündigung ohne Abmahnung folgen.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Urteil: Fristlose Kündigung aufgrund sexueller Belästigung
Ein Urteil vom 1. April 2021 bestätigt die bestehende Rechtsprechung zur fristlosen Kündigung wegen sexueller Belästigung. In dem Fall hatte ein Arbeitnehmer eine Mitarbeiterin über einen längeren Zeitraum sexuell belästigt. Der Mann war seit 1996 im Unternehmen tätig, während die Mitarbeiterin bereits vor ihrer Anstellung als Werkstudentin dort gearbeitet hatte. Schon damals fasste der Mann ihr ungefragt von hinten an die Schultern, woraufhin sie ihm dieses Verhalten untersagte.
Im September 2019 nahmen beide an einer zweitägigen Teamklausur teil. Dort kam der Mitarbeiter der Frau wiederholt zu nahe, indem er ihr an der Hotelbar mehrfach seine Jacke umlegen wollte. Eine andere anwesende Kollegin forderte ihn auf, dies zu unterlassen. Als die Angestellte später in ihr Hotelzimmer ging, folgte er ihr, trotz ihrer klaren Ansage, dass sie das nicht wünsche. Vor ihrer Zimmertür zog er sie an sich und versuchte, sie zu küssen. Sie drückte ihn weg, doch er versuchte es erneut und küsste sie schließlich. Die Frau konnte sich befreien, ging in ihr Zimmer und schloss ab.
In einer WhatsApp-Nachricht schrieb der Mitarbeiter später, er hoffe, sie sei ihm nicht böse, und es folgten weitere Nachrichten. Die Angestellte meldete den Vorfall ihrem Arbeitgeber, der daraufhin die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung aussprach. Der Arbeitnehmer klagte dagegen. Das Arbeitsgericht Köln entschied, dass die fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung rechtens war. Der Beklagte legte jedoch Revision ein.
Weiterbeschäftigung ist allen Betroffenen nicht zumutbar
Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte das Urteil vom 1. April 2021, (Az. 8 Sa 798/20). „Wer auf einer dienstlich veranlassten Reise eine Arbeitskollegin gegen ihren Willen zu küssen versucht und küsst, verletzt – unabhängig von der Strafbarkeit der Tat wegen sexueller Belästigung – seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB), in erheblicher Weise“, heißt es im Urteil. „Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.“
Keine vorherige Abmahnung erforderlich
Eine Abmahnung war nicht notwendig, da es sich „um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.“ Gemäß § 626 BGB ist eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung möglich, „wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (…) nicht zugemutet werden kann.“ Das war hier zutreffend, denn dem Arbeitgeber ist es nicht zuzumuten, den Betroffenen weiterhin zu beschäftigen. Zudem habe der Mitarbeiter in einem späteren Personalgespräch keine Reue gezeigt, was darauf hinweist, dass er dieses Verhalten auch weiterhin zeigen könnte.
Was bedeutet das Urteil für Arbeitnehmer?
Dieses Urteil unterstreicht die Konsequenzen bei schwerwiegender sexueller Belästigung: Eine fristlose Kündigung ist in solchen Fällen gerechtfertigt, selbst ohne vorherige Abmahnung. Auch persönliche Umstände oder eine lange Zugehörigkeit zum Unternehmen bieten hier keinen Schutz. Zudem können Beschäftigte dazu verpflichtet werden, gezahltes Gehalt zurückzuerstatten. Wer versucht, eine Kündigung wegen sexueller Belästigung gerichtlich anzufechten, hat oft geringe Erfolgsaussichten – besonders wenn Zeugenaussagen den Vorwurf untermauern. Es empfiehlt sich daher, im Arbeitsumfeld besonders achtsam zu sein und sicherzustellen, dass keinerlei Handlungen als unangemessen oder aufdringlich empfunden werden könnten.