Arbeitnehmer haben wie Arbeitgeber zahlreiche Rechte und Pflichten, was die Erfüllung ihres Arbeitsvertrags angeht. Trotz vertraglicher Vereinbarungen herrscht nicht immer Einigkeit darüber, was rechtens ist und was nicht. Was die Ausbezahlung von Überstunden trotz Urlaubs angeht, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einem aktuellen Urteil nun ein Zeichen gesetzt. Welche Folgen dieses Urteil für Arbeitnehmer haben kann, können Sie hier nachlesen.
Im aktuell vor dem EuGH verhandelten Fall geht es um einen Arbeitnehmer einer Zeitarbeitsfirma. Dieser hatte geklagt, weil er wegen Urlaubs keine Überstunden ausbezahlt bekommen sollte.
Konkret geht es um einen Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 72,32 €, den der Arbeitnehmer für sich beanspruchte, da er in der ersten Augusthälfte 2017 insgesamt 121,75 Stunden gearbeitet und in der zweiten Augusthälfte Urlaub genommen hatte, der mit 84,7 Arbeitsstunden bewertet worden ist. Dadurch habe er damit die monatliche Schwelle von 184 Arbeitsstunden überschritten und könne gemäß des Manteltarifvertrags Zeitarbeit einen Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent pro Stunde verlangen. Der Manteltarifvertrag Zeitarbeit sieht diesen Zuschlag für Monate mit 23 Arbeitstagen ab der 185. Arbeitsstunde vor.
Die Gegenseite ist gegen eine Ausbezahlung der Überstunden. Schließlich sei im Manteltarifvertrag von „geleisteten Überstunden“ die Rede, weswegen die Urlaubszeit für die Berechnung nicht von Belang sei. Dieser Argumentation schlossen sich die ersten beiden Instanzen, das Arbeitsgericht Dortmund und das Landesarbeitsgericht Hamm, an.
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt wollte jedoch den EuGH zunächst über die Frage entscheiden lassen, ob die Nichteinberechnung der Urlaubszeit Arbeitnehmer künftig davon abhalten könnte, ihren gesetzlichen Mindesturlaub zu nehmen.
Tatsächlich entschied der EuGH zugunsten des Arbeitnehmers – mit der Begründung, der gesetzliche Urlaubsanspruch dürfe dem finanziellen Anreiz durch die Mehrarbeitszuschlags-Regelung nicht im Wege stehen (EuGH, Rechtssache C-514/20). Der Arbeitnehmer habe also das Recht, sich seine Überstunden trotz Urlaubs ausbezahlen zu lassen.
Auch wenn das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und offenbleibt, ob das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitnehmer die 72,32 € zuspricht, könnte das EuGH-Urteil weitreichende Konsequenzen für Arbeitnehmer haben: Es bleibt abzuwarten, ob Tarifverträge in Zukunft noch wirtschaftliche Anreize für Mehrarbeit vorsehen oder von solchen Regelungen Abstand genommen wird.
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