Wer mit seinen Verwandten zu Lebzeiten auf Kriegsfuß steht, der möchte ihnen womöglich auch nichts hinterlassen. Dann liegt der Gedanke nahe, Kinder, Elternteile oder Enkelkinder zu enterben. Dazu ist ein Pflichtteilsentzug notwendig, der aber nur unter sehr wenigen Voraussetzungen in Frage kommt. Erfahren Sie hier, wie Sie vorgehen müssen.
Erblasser haben zwei Optionen: In einem Erbvertrag oder Testament können sie bestimmen, welche Nachkommen oder ggf. Einrichtungen mit welchem Erbanteil bedacht werden. Gibt es kein Testament, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Werden einzelne Personen enterbt, haben sie dennoch Anspruch auf den Pflichtteil, gem. § 2303 Abs. 1 BGB. Möchten Erblasser die pflichtteilsberechtige Person vollständig enterben, können sie einen Pflichtteilsentzug anstreben.
Der Pflichtteil ist ein verfassungsmäßiger Anspruch, der im deutschen Erbrecht verankert ist. Es braucht ganz besonders schwerwiegende Gründe, um den Entzug dieses Pflichtteils durchsetzen zu können.
Folgende Voraussetzungen müssen zutreffen:
Ein Pflichtteilsentzug kommt nicht nur in Frage, wenn der Erblasser direkt von einer der oben genannten Verfehlungen betroffen ist. Die Pflichtteilsentziehung ist auch denkbar, wenn der Ehepartner des Erblassers, ein anderer Abkömmling oder eine nahestehende Person wie nicht-eheliche Lebenspartner, Stiefkinder, Pflegekinder oder die Kinder, Stiefkinder und Pflegekinder des nicht-ehelichen Lebenspartners betroffen sind, gem. § 2333 Abs. 2 BGB.
Für einen Entzug des Pflichtteils bestehen hohe Hürden. Zunächst einmal muss der Entzug im Testament klar und nachvollziehbar dargelegt werden. Außerdem müssen mit dem Testament Beweise wie Zeugenaussagen, polizeiliche Dokumente oder ähnliches hinterlegt werden. Es darf an der Darstellung, die die Begründung für den Pflichtteilsentzug ist, gem. § 2336 BGB keine Zweifel geben.
In einem aktuellen Urteil zum Pflichtteilsentzug gab es Zweifel an der Begründung. In dem Fall, den das Landgericht Frankenthal zu entscheiden hatte (Urt. v. 11.03.2021, Az. 8 O 308/20), klagte ein Mann gegen eine sozialen Einrichtung. Diese wurde in einem notariellen Erbvertrag mit seinem Pflichtteil bedacht, den seine Mutter ihm entzogen hat.
Als Grund hatte die Erblasserin angegeben, dass der Sohn sie mehrmals geschlagen habe, wobei sie sich eine Schädelprellung zugezogen habe. Nun forderte er die ihm vermeintlich zustehende Summe von der Einrichtung zurück. Das Gericht gab dieser Forderung statt und begründete dies in erster Linie mit formalen Fehlern. Die Mutter hätte in dem Erbvertrag darlegen müssen, wie es zu den handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen ist, was aber nicht geschah.
Wenn, wie es auch möglich wäre, die Körperverletzung im Affekt oder Streit, begangen wurde, handele es sich nämlich um keine schwerwiegende körperliche Misshandlung. Zudem äußerte das Gericht Zweifel daran, dass die Streitigkeiten der wahre Grund für den Pflichtteilsentzug ist. Vielmehr wird vermutet, dass der Lebenswandel des Sohnes der wirkliche Grund war. In einer Entscheidung des Landgerichts Stuttgart (Az. 16 O 638/11) wurde einem Pflichtteilsentzug wiederum stattgegeben, weil die pflichtteilsberechtige Person in den 1980er-Jahren zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Zudem habe die Person ihrer Mutter gegenüber „einen tiefen Hass“ gehegt, und ihr „nach dem Leben getrachtet“. Der Pflichtteilsentzug ist laut Urteil auch deshalb gerechtfertigt, da dies eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses darstellt. Bei der Abwägung der Wirksamkeit eines Pflichtteilsentzugs können solche Beleidigungsdelikte gem. § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB durchaus gewertet werden.
Es ist nicht einfach, Erben ihren Pflichtanteil abzusprechen oder ihn zu minimieren. Möglich wäre es, zu Lebzeiten Schenkungen vorzunehmen. Das muss jedoch recht früh geschehen, da alle Schenkungen, die bis zu zehn Jahre vor dem Erbfall, vorgenommen wurden, in die Erbmasse eingehen. Zudem gibt es für geschenkte Immobilien, die ein Nießbrauchrecht beinhalten sowie für Ehegatten Sonderregelungen, die das Minimieren des Erbanteils erschwert. Möglich wäre auch der Verkauf von Wertgegenständen wie dem eigenen Haus, um im Gegenzug eine Leibrente zu erhalten. Da die Immobilie in diesem Fall verkauft wurde, entstehen für die pflichtteilsberechtigten Personen keine nachträglichen Ergänzungsansprüche.
Welche Strategie im Einzelfall empfehlenswert ist, sollten Sie frühzeitig mit einem Anwalt für Erbrecht besprechen. Vereinbaren Sie dazu gern ein unverbindliches Gespräch mit einem KLUGO Partner-Anwalt oder Rechtsexperten und erhalten Sie Tipps für Ihr weiteres Vorgehen.
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