STAND 04.02.2024 | LESEZEIT 4 MIN
Fahrschüler begeben sich in eine Abhängigkeit: In dem Fahrschulauto sind sie für einen bestimmten Zeitraum auf die Anweisungen des Fahrlehrers angewiesen: Er bestimmt, wo es langgeht. Außerdem hat er in der Hand, wie schnell Fahrschüler ihren Führerschein machen können. Manche Fahrlehrer nutzen diese Machtposition aus; das Thema der sexuellen Belästigung in Fahrschulen rückt langsam auch in den Fokus der Medien. Erfahren Sie hier, wie sich Betroffene wehren können.
Bis 2016 war die sexuelle Belästigung in Deutschland nicht ausdrücklich strafbar. Erst im November 2016 wurde sie als § 184i StGB neu ins Gesetzbuch aufgenommen. Bis dahin fielen sexuell belästigende Handlungen unter den Straftatbestand der Beleidigung. Gab es zu der sexuellen Belästigung keine begleitenden Beleidigungen, griff das Gesetz nicht.
Seit 2016 macht sich jemand strafbar, wenn er eine Person in „sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt“. Darunter fallen sogenannte „Busengrapscher“, aufgedrängte Küsse auf die Wange und Umarmungen, die Hand auf dem Knie oder auch Berührungen der primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale. Wann eine Berührung oder eine Umarmung als sexuelle Belästigung gewertet wird, hängt von den jeweiligen Umständen ab.
Sexuelle Belästigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.
Auch in Fahrschulen gibt es sexuelle Übergriffe. Begünstigt werden diese dadurch, dass die Schüler und Schülerinnen mit dem Fahrlehrer während der Fahrstunden allein sind. So entsteht schnell ein Gefühl der Vertrautheit. Betroffene Frauen berichten davon, dass Fahrlehrer sich anzüglich geäußert haben, z. B. dazu aufforderten, den Schalthebel wie einen erigierten Penis zu behandeln oder davon sprachen, nach der Stunde noch gemeinsam etwas trinken zu gehen.
Sehr häufig legen Fahrlehrer die Hand auf den Oberschenkel der Schüler und Schülerinnen. Sie erklären dieses Verhalten damit, den Druck auf das Gaspedal kontrollieren zu wollen. Andere Fahrlehrer stellen den Spiegel so ein, dass sie die Schüler immer im Blick haben. Auch das Anbieten von kostenfreien Fahrstunden gegen Sex stellt eine Grenzüberschreitung dar. Alle diese Praktiken sind als sexuelle Belästigung in der Fahrschule zu werten.
Im Jahr 2023 deckte der Satiriker Jan Böhmermann in seinem Format „ZDF Magazin Royale“ auf, was für ein enorm strukturelles Problem sexuelle Belästigung in der Fahrschule ist. Die Schwierigkeit liegt darin, dass viele Opfer die Taten nicht melden. Zum einen fürchten sie sich davor, ihren Führerschein nicht zu erhalten bzw. fürchten sie die zusätzlichen Kosten, wenn sie die Fahrschule wechseln müssen. Zum anderen haben sie selten Beweise. Das führt dazu, dass viele Fälle von sexueller Belästigung in Fahrschulen nicht aktenkundig sind – und wo keine Akte, da kein Problem. Jedoch zeigen Urteile gegen Fahrlehrer, dass eine Überführung dennoch möglich ist.
In Kärnten wurde ein Fahrlehrer zu zwei Monaten bedingter Haft (Bewährung) verurteilt. Er hat über mehrere Jahre mindestens 40 Mädchen und Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren sexuell belästigt; insgesamt berichteten mehr als 70 Frauen von Übergriffen. In Göttingen musste sich 2021 ein Fahrlehrer für 33 Fälle sexueller Übergriffe innerhalb der Fahrschule verantworten. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt ist. Hinzu kommt eine dreijährige Bewährungszeit und eine Strafzahlung in Höhe von 4000 Euro an das Göttinger Frauenhaus.
Was bereits in den beiden obigen Urteilen deutlich wird: Die sexuelle Belästigung ist zumeist keine Einzeltat, sondern erstreckt sich über einen längeren Zeitraum und sie hat mehrere Opfer. Allein deshalb ist es immer empfehlenswert, die Fahrschulleitung über die sexuelle Belästigung zu informieren. Diese kann dem Verdacht nachgehen. So können im besten Fall weitere Betroffene gefunden werden, was einen Anfangsverdacht stärkt und vor Gericht genutzt werden kann.
Wenn die Fahrschulleitung informiert ist, kann auch das weitere Vorgehen besprochen werden. So ist ein Wechsel des Fahrlehrers eine zwingende Konsequenz. Zudem kann besprochen werden, ob das Opfer bei einem notwendigen Wechsel der Fahrschule die Kosten für die bisherigen Fahrstunden erstattet bekommt.
In diesem Fall fehlt die Vertrauensperson in der Fahrschule. Hier ist es deshalb empfehlenswert, sich direkt an einen Anwalt für Strafrecht zu wenden.
Wenn Sie Opfer einer sexuellen Belästigung in einer Fahrschule oder in einem anderen Kontext geworden sind, lassen Sie sich zu Ihrem weiteren Vorgehen beraten. In einem unverbindlichen Gespräch gibt Ihnen ein KLUGO Partner-Anwalt für Strafrecht alle notwendigen Informationen.
Dann nutzen Sie einfach die KLUGO Erstberatung. Die Erstberatung ist ein Telefongespräch mit einem zertifizierten Anwalt aus unserem Netzwerk.
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