STAND 14.03.2024 | LESEZEIT 4 MIN
Anfang März 2023 wurde bekannt, dass in Österreich innerhalb weniger Tage sechs Frauen getötet wurden. Es wird vermutet, dass es sich in allen Fällen um Femizide handelt. Damit wird deutlich: Die Tötung von Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das auch im Strafrecht Bedeutung finden muss.
Femizide geschehen sehr viel häufiger, als man denken könnte. Darunter ist die Tötung von Frauen zu verstehen, die wegen ihres Geschlechts getötet werden. Frauen und Mädchen werden also getötet, weil ein Mann eine geschlechtsbezogene Ungleichwertigkeit annimmt.
Besonders häufig tritt der Femizid nach einer Trennung von Seiten der Frau ein. Dem voraus geht zumeist eine Beziehung, die von den Macht- und Gewaltvorstellungen des Mannes geprägt war. Bricht die Frau aus diesem System aus, steht das dem Machtgefühl des Mannes entgegen – er möchte nicht die Kontrolle verlieren. Femizide zeigen immer, welche patriarchalischen Besitzansprüche Männer an Frauen haben. Sie missachten ihren Anspruch auf Selbstbestimmung und freie Partnerwahl und möchten bis zum Tod der Frau über ihr Leben bestimmen. In der Presse wird in solchen Fällen oft von einem „Familiendrama“ oder einer „Beziehungstat“ gesprochen, was die Taten jedoch nur unzureichend definiert.
In Deutschland wurden zwischen 2019 und 2020 360 Frauen getötet. Von diesen Tötungsdelikten wurden 63 Prozent (227 Fälle) von den aktuellen oder früheren Partnern begangen. Kommt es zu einer Verurteilung, werden die Straftaten häufiger als Totschlag und weniger häufig als Mord eingestuft, was ein niedrigeres Strafmaß zur Folge hat. Während auf Mord eine lebenslange Freiheitsstrafe steht, wird Totschlag in der Regel mit einer Freiheitsstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren bestraft. Es gibt allerdings auch besonders schwere Fälle des Totschlags, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden, § 212 Abs. 2 StGB.
Im deutschen Strafrecht wird der Begriff Femizid nicht angewendet, andere Länder sind hier einen Schritt weiter. In den USA werden alle Beziehungstaten als Femizid anerkannt und in Spanien wurde 2004 ein erstes Gesetz explizit zum Schutz von Frauen erlassen, Femizide werden gesondert erfasst. In Deutschland ist das nicht der Fall.
Hier gibt es im deutschen Strafrecht seit längerem eine Debatte über die strafrechtliche Einordnung des Femizids. Die Frage: Handelt es sich um Mord im Sinne des § 211 StGB oder um Totschlag gemäß § 212 StGB. Ein wichtiges Mordmerkmal sind die „sonstigen niedrigen Beweggründe“. Dabei handelt es sich beispielsweise um Tatmotive, die unseren gesellschaftlichen ethischen Grundsätzen entgegenstehen und besonders verwerflich sind.
Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht dieses Motiv bei sogenannten Trennungstötungen an Intimpartnerinnen regelmäßig nicht an. Noch 2008 begründete der BGH diese Wertung mit dem Argument, dass die „Trennung von dem Tatopfer ausgeht und der Angeklagte durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will“. Diese Begründung spiegelt die patriarchalen Besitzansprüche und wurde scharf kritisiert. Sie findet sich heute nicht mehr, dennoch hat sich an der Wertung des Tatbestandes wenig geändert. Auch noch 2018 argumentiert der 1. Strafsenat des BGH, dass die Trennungsabsicht durch das Opfer gegen die niedrigen Beweggründe des Täters stehe.
Als positiv ist die Argumentation des 5. Strafsenats des BGH zu werten. Der Strafsenat entschied über den Revisionsantrag eines Falles, in dem ein Mann seine Ex-Freundin mit mehreren Messerstichen töten wollte (BGH 5 StR 479/22 - Beschluss vom 6. Dezember 2022 (LG Kiel)). Die Tat wurde als versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eingestuft, wogegen der Täter vorgehen wollte. Der BGH sieht aber niedrige Beweggründe, denn „der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, stellt entgegen der Auffassung des Landgerichts für sich gesehen kein gegen die Annahme niedriger Beweggründe sprechendes Indiz dar.“ Vielmehr betont der Strafsenat das „Menschenbild des Grundgesetzes“ und die Bedeutung von Werten wie Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und gegenseitige personelle Achtung, die im deutschen Recht angelegt seien.
Bereits 2011 wurde die Istanbul-Konvention von dreizehn Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet und verabschiedet, 2018 trat sie auch in Deutschland in Kraft.
Darin haben sich alle Staaten dazu verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um geschlechtsbezogene Diskriminierung und Gewalt zu verhindern. Neben der rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter sollen auch praktische Maßnahmen getroffen werden. Dazu gehören Präventionsprogramme, Angebote wie Beratung und Frauenhäuser. In Deutschland wurden bisher nicht alle Maßnahmen ausreichend umgesetzt, Frauenhäuser klagen weiterhin über finanzielle schlechte Ausstattungen.
Erst im Juni 2023 forderten SPD-Rechtspolitiker die strafrechtliche Anerkennung des Femizids und dessen regelmäßige Einordnung als Mord aus niedrigen Beweggründen. In der 2023 durchgeführten Reform des Sanktionsrechts konnten sich die Politiker mit dieser Forderung nicht durchsetzen. Im November 2023 kündigte die Bundesministerin für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) an, eine staatliche Koordinierungsstelle nach der Istanbul-Konvention aufbauen zu wollen, um die Konvention „vorbehaltlos“ umzusetzen. Zudem möchte sie ein Gesetz schaffen, mit dem Frauen das Recht auf Schutz und Beratung rechtlich zusteht.
In akuten Situationen sollten betroffene Frauen immer den Notruf der Polizei unter 110 wählen. Zuflucht und Beratung bieten Frauenhäuser sowie regionale Projekte und Beratungsstellen. Diese sind auf Länderebene koordiniert. Zudem können Frauen rechtliche Schritte erwägen, um ihr Leben und ggf. das weiterer Menschen, wie etwa Kinder, zu schützen.
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