STAND 03.02.2023 | LESEZEIT 7 MIN
Die deutsche Gesetzgebung legt großen Wert auf die gleichberechtigte Teilhabe schwerbehinderter Menschen. Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung oder ihnen gleichgestellte Personen haben in ihrem Beschäftigungsverhältnis besondere Rechte. Machen Sie davon Gebrauch! Erfahren Sie hier alle relevanten Informationen, die für Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung oder Gleichgestellte gelten.
Der Begriff „schwerbehindert“ bezieht sich auf eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten. Sie verursacht eine erhebliche Einschränkung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. In Deutschland gilt man gemäß § 2 Abs. 2 Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX) als schwerbehindert, wenn man einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 aufweist.
Der Grad der Behinderung wird von einem medizinischen Gutachter festgestellt und basiert auf einer ärztlichen Untersuchung. Der Umfang der Behinderung wird in Zehnergraden von 20 bis 100 beschrieben.
Es gibt verschiedene Arten einer Behinderung, darunter:
Eine Tabelle mit allen gesetzlich anerkannten Erkrankungen zum jeweiligem GdB, finden Sie in der Versorgungsmedizin-Verordnung.
Hat eine Person einen Grad der Behinderung von mindestens 50, kann ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden. Dieser Ausweis bietet verschiedene Vorteile, wie z. B. Vergünstigungen bei der Steuerzahlung, Zuschüsse für den Autokauf, Sonderkonditionen bei Versicherungsabschlüssen und eine bevorzugte Behandlung bei der Wohnungsvergabe.
Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihrer Behinderung in einem Unternehmen nicht benachteiligt werden. Das ist in Artikel 3 Abs. 3 des Deutschen Grundgesetzes (GG) verankert.
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Genauer geregelt werden die Pflichten des Arbeitnehmers und die Rechte eines schwerbehinderten Arbeitnehmers in § 164 SGB IX festgehalten. Des Weiteren verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund ihrer Behinderung. Vom Schutz des AGG sind chronische Erkrankungen betroffen, die die gesellschaftliche Teilhabe von betroffenen Personen beeinträchtigt.
Menschen mit einer Schwerbehinderung haben besondere Rechte, um am Arbeitsleben teilzuhaben und eine für sie geeignete Arbeit ausüben zu können. Eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen ermöglicht es auch behinderten Menschen, diese Rechte in Anspruch zu nehmen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die Gleichstellung setzt voraus, dass der Grad der Behinderung mindestens 30, aber kleiner als 50 ist.
So gehen Sie vor, wenn Sie eine Gleichstellung beantragen möchten:
Den „Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen“ finden Sie hier.
Ja, diese Pflicht gilt für Arbeitnehmer mit mindestens 20 Angestellten. Gemäß § 154 Absatz 1 SGB IX sind Arbeitgeber mit 20 bis 40 Angestellten verpflichtet, eine Person mit einer Schwerbehinderung einzustellen. Arbeitgeber mit 40 bis 60 Angestellten sind verpflichtet, zwei schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Ausbildungsplätze zählen hier nicht zu den Arbeitsplätzen. Mehrere Firmen des gleichen Arbeitgebers zählen als Einheit.
Kommt ein Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, muss er pro unbesetztem Arbeitsplatz eine Strafe zahlen. Gesetzlich geregelt ist diese Strafe bzw. Ausgleichsabgabe in § 160 SGB IX.
(1) Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, entrichten sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe. Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf. Die Ausgleichsabgabe wird auf der Grundlage einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote ermittelt.
(2) Die Ausgleichsabgabe beträgt je unbesetztem Pflichtarbeitsplatz
Schwerbehinderte Personen haben in Deutschland bestimmte Rechte, die auch im Bewerbungsverfahren gelten. So müssen Arbeitgeber beispielsweise dafür sorgen, dass ein Bewerbungsgespräch in einem barrierefreien Raum stattfindet und eventuelle Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden. Auch dürfen Arbeitgeber nicht diskriminierend gegenüber schwerbehinderten Bewerbern vorgehen und müssen diese bei gleicher Eignung bevorzugt einstellen.
Geht eine Bewerbung eines schwerbehinderten Bewerbers ein, ist ein Arbeitgeber gemäß § 164 Absatz 1 Satz 4 SGB IX dazu verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung und die betriebliche Interessenvertretung darüber zu informieren. Die Schwerbehindertenvertretung darf dabei alle erforderlichen Unterlagen einsehen.
Öffentliche Arbeitgeber müssen gemäß § 165 Satz 3 SGB IX schwerbehinderte Menschen, die sich bei ihnen um einen Arbeitsplatz bewerben, zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Auf eine Einladung darf nur aufgrund einer offensichtlich fehlenden fachlichen Eignung für die Stelle verzichtet werden.
Die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang ist häufig: Muss eine Behinderung im Bewerbungsgespräch erwähnt werden?
Schwerbehinderte Menschen oder Gleichgestellte sind grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre Behinderung zu erwähnen. Auch wenn ein Arbeitgeber konkret danach fragt, hat der Arbeitnehmer keine Mitteilungspflicht. Wird die Einstellung von Arbeitnehmern mit einer Schwerbehinderung gezielt gefördert, kann die Erwähnung der Behinderung zum Vorteil des Arbeitnehmers sein. Denn dann könnte er im Bewerbungsverlauf bevorzugt werden.
Menschen mit einer Schwerbehinderung haben während ihrer Beschäftigung besondere Rechte. Darunter fallen z. B. der besondere Kündigungsschutz und der Zugang zur Förderung des Integrationsamtes.
Außerdem stehen schwerbehinderten Arbeitnehmern zusätzlich fünf Tage bezahlter Urlaub im Jahr zu (§ 208 SGB IX). Die zusätzlichen Urlaubstage werden anteilig und abhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit berechnet. Gleichgestellte Arbeitnehmer haben kein Recht auf zusätzlichen Urlaub.
Gemäß § 207 SGB IX dürfen Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung Überstunden verweigern. Zu Überstunden bzw. zur Mehrarbeit gehört die Arbeitszeit, die über die gesetzlichen acht Stunden pro Tag hinausgehen.
Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung haben auch das Recht auf einen ihrer Behinderung entsprechenden Arbeitsplatz. Der Arbeitsplatz muss so gestaltet sein, dass er vom Arbeitnehmer bestmöglich genutzt werden kann. Dazu zählt z. B. der Einbau technischer Hilfen.
Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben über den allgemeinen Kündigungsschutz hinaus einen Sonderkündigungsschutz. Vor dem Ausspruch einer Kündigung muss sich der Arbeitgeber gemäß § 168 SGB IX die Zustimmung des Integrationsamtes einholen.
Wurde eine Kündigung ohne die Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochen, ist sie nicht rechtens, auch wenn der Grund der Kündigung rechtes wäre. Aufgrund des Verfahrensverstoßes ist die Kündigung trotzdem unwirksam.
In bestimmten Fällen kann eine Kündigung eines Arbeitnehmers mit Schwerbehinderung auch ohne die Zustimmung des Integrationsamtes wirksam sein:
Weitere Ausnahmeregelungen finden Sie in § 173 SGB IX.
Arbeitnehmer, die einen Grad der Behinderung von mindestens 30 aufweisen und als gleichgestellt anerkannt wurden, fallen ebenfalls unter den besonderen Kündigungsschutz. Dies kann auf Antrag erfolgen, wenn die Person aufgrund ihrer körperlichen Behinderung schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Hier greift der besondere Kündigungsschutz auch vor einer Entscheidung über die Gleichstellung, sofern der Antrag mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt wurde und der Betroffene ohne Beanstandung mitgewirkt hat.
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