STAND 23.06.2023 | LESEZEIT 9 MIN
Als EU-Bürger können Sie beim Fliegen Rechte geltend machen, welche nicht auf Ihr eigenes Verschulden zurückzuführen sind. Zu beachten ist, dass es daneben auch zu Flugunregelmäßigkeiten kommen kann, die per Gesetz keinen Entschädigungsanspruch begründen.
Fluggastrechte greifen vor allem dann, wenn die aufgetretenen Störungen durch die Fluggesellschaft verschuldet wurden, nicht durch den Fluggast selbst oder äußere Umstände.
Das ist in mehreren Situationen der Fall:
Es kann aber auch vorkommen, dass ein Flug verschoben oder abgesagt werden muss, ohne dass die Fluggesellschaft dieses Ärgernis zu verantworten hat. Diese Fälle bezeichnet man als außergewöhnliche Umstände – und in der Regel können Sie hier keine Fluggastrechte geltend machen.
Dazu zählen:
Alle Rechte gegenüber der Fluggesellschaft sind in der europäischen Fluggastrechteverordnung verankert. Damit Sie Ihren Anspruch auf Fluggastrechte geltend machen können, müssen zunächst zwei Grundvoraussetzungen erfüllt sein:
Ferner gelten diese Regelungen auch in den drei Nicht-Mitgliedsstaaten Schweiz, Norwegen und Island. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs (UK) aus der EU gelten die Fluggastrechte nicht mehr für Flüge, die von dort aus starten – ausgenommen, die Airline hat ihren Sitz in einem europäischen Land.
Sind die grundlegenden Voraussetzungen für eine Entschädigungszahlung gegeben, so können Sie Ihre Fluggastrechte in folgenden Fällen geltend machen.
Bei Flugstörungen, die von der Fluggesellschaft verursacht werden, haben Sie möglicherweise einen Anspruch auf Entschädigung. Zu den möglichen auftretenden Flugstörungen gehören eine mehrstündige Verspätung, eine erheblich frühere Abflugzeit, ein Flugausfall oder eine Nichtbeförderung aufgrund von Überbuchung."Dennis Kallabis
Treffen Sie mit mindestens zwei Stunden Verspätung am Endziel ein, so steht Ihnen laut Flugpassagierrecht eine Entschädigungszahlung zu. Diese bemisst sich anhand der Anzahl der Kilometer der Flugstrecke.
Strecke | Entschädigung |
---|---|
Weniger als 1.500 km | 250 € |
1.500 km innerhalb der Europäischen Union oder insgesamt 1.500 bis 3.500 km | 400 € |
1.500 km innerhalb der Europäischen Union oder insgesamt 1.500 bis 3.500 km bei maximal 3 Stunden Verspätung | 200 € |
Mehr als 3.500 km | 600 € |
Mehr als 3.500 km bei maximal 4 Stunden Verspätung | 300 € |
Kein Anspruch kann geltend gemacht werden, wenn die Fluggesellschaft außergewöhnliche und unvermeidbare Umstände nachweisen kann, die zur Verspätung geführt haben.
Zusätzlich zu den Ausgleichszahlungen, die Ihnen laut Fluggastrecht zustehen, haben Sie auch einen Anspruch auf Unterstützungs- und Betreuungsleistungen, wenn der Flug:
In diesen Fällen muss Ihnen die Fluggesellschaft unentgeltlich Essen, Getränke, zwei Telefonate (alternativ: Telex, Telefax oder E-Mails) sowie eine Weiterbeförderung am nächsten Tag oder in den nächsten Tagen und eine Hotelübernachtung mit Transfer anbieten.
Beträgt die Verzögerung des Abflugs mindestens fünf Stunden, so werden auch Unterstützungsleistungen seitens der Airline fällig. So muss Ihnen das Recht eingeräumt werden, auf den Flug zu verzichten und eine vollständige Erstattung des Flugpreises für nicht geflogene Strecken zu erhalten. Für bereits zurückgelegte Strecken steht Ihnen ein kostenloser Rückflug zum Ausgangsort zu. Entscheiden Sie sich dazu, auf den Flug zu verzichten oder die Reise an einem Zwischenstopp abzubrechen, so entfällt jeglicher Anspruch auf Ausgleichszahlungen.
Auch im Falle einer Annullierung des Fluges stehen Ihnen laut Fluggastrecht Ausgleichszahlungen zu, die wieder je nach Flugstrecke und Verspätung am Endziel variieren. In der Regel bietet Ihnen die Fluggesellschaft im Falle einer Annullierung Ihres Fluges einen Alternativflug an. Dieser dient als Grundlage für die Entschädigungszahlungen.
Strecke | Entschädigung |
---|---|
Weniger als 1.500 km | 250 € |
1.500 km innerhalb der Europäischen Union oder insgesamt 1.500 bis 3.500 km | 400 € |
1.500 km innerhalb der Europäischen Union oder insgesamt 1.500 bis 3.500 km, mit Information über die Annullierung weniger als 7 Tage vor Abflug | 200 € |
Mehr als 3.500 km | 600 € |
Mehr als 3.500 km mit Information über die Annullierung weniger als 7 Tage vor Abflug | 300 € |
Es gibt aber auch Situationen, in denen keine Fluggastrechte geltend gemacht werden können, wenn es zu einer Annullierung des Fluges kommt:
Wurden Sie mehr als 14 Tage vor Abflug über die Annullierung unterrichtet, so besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen. Wurden Sie 7 bis 13 Tage vor Abflugtermin unterrichtet und fliegt der Alternativflug maximal zwei Stunden früher und/oder kommt maximal vier Stunden später an, so besteht ebenfalls kein Anspruch. Das gilt auch dann, wenn die Ankündigung weniger als 7 Tage vor Abflug erfolgte, Sie aber maximal eine Stunde früher abfliegen und/oder maximal zwei Stunden später als ursprünglich geplant ankommen.
Auch hier besteht zudem ein Anspruch auf Betreuungsleistungen, zu denen unter anderem Essen und Getränke, zwei Telefonate beziehungsweise Telex, Telefax oder E-Mails sowie ein Aufenthalt im Hotel inklusive Transfer gehören, wenn die Weiterbeförderung erst am nächsten Tag stattfinden kann.
Hat die Airline mehr Tickets verkauft als im Flugzeug tatsächlich Plätze verfügbar waren, folgt häufig ein Angebot für einen Alternativflug. Dieses Angebot sollten Sie aber nur dann in Anspruch nehmen, wenn der Flug für Sie tatsächlich gut passt – denn lassen Sie sich darauf ein, entfallen weitere Ansprüche auf Entschädigungszahlungen.
Sofern sich nicht ausreichend Passagiere finden lassen, die freiwillig auf den Flug verzichten und zu einem späteren Zeitpunkt fliegen, stehen Ihnen dieselben Rechte zu wie im Falle einer Flugannullierung.
Auch bei Flügen, die im Rahmen von Pauschalreisen gebucht wurden, besteht Anspruch entsprechend der Fluggastrechte EU-Verordnung und dem Pauschalreiserecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Hier ist es sinnvoll, die Ansprüche dennoch gegenüber der Fluggesellschaft geltend zu lassen und nicht direkt beim Reiseveranstalter. Zusätzlich kommt hier zu allen Entschädigungsleistungen möglicherweise ein Anspruch auf Minderung des Reisepreises wegen eines Mangels der Pauschalreise infrage, jedoch muss dafür der Einzelfall betrachtet werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) stärkt durch sein Urteil vom 16.06.2023, Az. X ZR 15/20 Fluggastrechte bei verspäteten Anschlussflügen. Wer eine Flugreise in einem EU-Land startet, hat demzufolge selbst dann Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, wenn die Verspätung erst bei einem Teilflug außerhalb der EU auftritt. Dabei spielt es dem Urteil des BGH zufolge, keine Rolle, ob direkte Anschlussflüge von unterschiedlichen Airlines durchgeführt werden. Ausreichend sei, dass die Flüge von einem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurden, das einen einheitlichen Flugschein im Sinne der EU-Fluggastrechte-Verordnung ausgegeben hat.
Ihre Ansprüche gegenüber der Fluggesellschaft können verjähren. Dies ist in der Regel drei Jahre nach Ende des Kalenderjahres, in dem der Flug stattfand, der Fall. Haben Sie zum Beispiel einen Flug im August 2019 gebucht, gilt der 31. Dezember 2019 als Beginn der Verjährungsfrist, sodass alle Ansprüche ab dem 01. Januar 2023 verjährt sind.
Möchten Sie auch Schadensersatzforderungen geltend machen, weil Ihnen aus der Verspätung, Annullierung oder Überbuchung des Fluges zusätzliche Kosten entstanden sind, so müssen Sie die entsprechenden Belege aufheben und nachweisen. Auch der Schadensersatz muss innerhalb der Verjährungsfrist geltend gemacht werden, sonst verfällt der Anspruch.
Als Passagier können Sie bei Flugstörungen mit Entschädigungen rechnen – diese sind allerdings abhängig von der Art der Flugstörung und davon, durch was die Störung verursacht wurde.
Zusätzlich zu den oben genannten Entschädigungszahlungen stehen Ihnen seitens der Fluggesellschaften weitere Ansprüche zu:
Haben Sie den Flug gebucht, um zum Beispiel am Zielort ein Konzert zu besuchen, aber Sie verpassen dieses Konzert aufgrund einer längeren Flugverspätung oder Annullierung des Fluges. So können Sie Schadensersatz geltend machen und auch die Kosten des Konzerttickets von der Fluggesellschaft zurückfordern.
Wurde der Flug annulliert oder Sie konnten aufgrund einer Überbuchung nicht daran teilnehmen, so steht Ihnen eine Rückerstattung des Flugpreises zusätzlich zu der entstandenen Entschädigungszahlung zu. Mussten Sie selbst einen Ersatzflug buchen, weil Ihr Flug annulliert wurde, so können die anfallenden Mehrkosten bei der Airline geltend gemacht werden. Heben Sie dazu alle Informationen auf, die die Flugannullierung oder Nichtbeförderung nachweisen. Am Schalter Ihrer Airline können Sie sich eine entsprechende Bestätigung ausdrucken und unterzeichnen lassen.
Ferner sollten Sie alle Belege, die die entstandenen Mehrkosten nachweisen, aufheben und Kopien davon bei der Beantragung der Flugpreisrückerstattung oder Mehrkostenerstattung anheften.
Flugpreisrückerstattungen, Mehrkostenerstattungen und Schadensersatz bei Verspätung, Annullierung oder Nichtbeförderung sind gesetzlich im Fluggastrecht verankert – doch nicht immer sind Airlines auch dazu bereit, die Kosten zu erstatten. Haben Sie die Fluggesellschaft bereits vergeblich zur Zahlung aufgefordert, so lohnt es sich, anwaltliche Unterstützung zurate zu ziehen. Im Rahmen der KLUGO Erstberatung werfen unsere Partner-Anwälte und Rechtsexperten für Reiserecht einen Blick auf den Sachverhalt und geben Ihnen eine erste Einschätzung mit auf den Weg. Ob Sie im Anschluss auf die Unterstützung eines Anwalts für Reiserecht zurückgreifen möchten, entscheiden Sie natürlich selbst. In einigen Fällen deckt auch die Reiseversicherung die anfallenden Kosten ab, um die Fluggastrechte gemeinsam mit einem Fachanwalt durchzusetzen.
Dann nutzen Sie einfach die KLUGO Erstberatung. Die Erstberatung ist ein Telefongespräch mit einem zertifizierten Anwalt aus unserem Netzwerk.
Beitrag juristisch geprüft von der KLUGO-Redaktion
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