Anzeige wegen Nötigung im Straßenverkehr - Was tun?
STAND 03.03.2023 | LESEZEIT 9 MIN
Vor Ihnen schleicht ein Autofahrer langsamer als die zulässige Geschwindigkeit über die Straße. Sie haben es eilig, hupen und fahren dicht auf. Das lässt sich der Autofahrer nicht gefallen: Er merkt sich Ihr Kennzeichen und es folgt eine Anzeige wegen Nötigung im Straßenverkehr. Welche Möglichkeiten Sie jetzt haben, erfahren Sie hier.
Das Wichtigste in Kürze
Bei Nötigung im Straßenverkehr handelt es sich strafrechtlich um eine Nötigung gemäß § 240 Strafgesetzbuch (StGB).
Dauerhaftes Drängeln, starkes Ausbremsen und durch sein Verhalten Furcht verbreiten stellt eine Straftat dar.
Die Strafen für Nötigung reichen von einer Geldstrafe über ein Fahrverbot bis hin zu einer Freiheitsstrafe.
Haben Sie eine Anzeige wegen Nötigung im Straßenverkehr erhalten, sollten Sie Ihr Aussageverweigerungsrecht in Anspruch nehmen.
So gehen Sie vor
Dokumentieren Sie den Vorfall und machen Sie zunächst von Ihrem Schweigerecht Gebrauch.
Kontaktieren Sie einen KLUGO Partner-Anwalt für Verkehrsrecht.
Gemeinsam besprechen Sie eine Verteidigungsstrategie und suchen entlastende Beweise.
Vor Gericht können Sie einen Entschädigungsanspruch prüfen lassen, die Strafe mildern oder im besten Fall die Einstellung des Verfahrens erwirken.
Was bedeutet Nötigung im Straßenverkehr?
In Gesetzbüchern gibt es den Straftatbestand „Nötigung im Straßenverkehr“ nicht. Juristen reden hier immer von einer Nötigung gemäß § 240 Strafgesetzbuch (StGB). Bei Nötigung im Straßenverkehr geht es also um eine Nötigung in Zusammenhang mit dem Straßenverkehr.
Nötigung § 240 Strafgesetzbuch (StGB)
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
Der Begriff „Gewalt“ bedeutet hier nicht zwangsläufig die Anwendung körperlicher Gewalt. Es reicht aus, wenn der Täter durch sein Verhalten Angst beim Gegenüber hervorruft.
Nach dem Strafgesetzbuch begeht ein Verkehrsteilnehmer, sobald er andere durch sein Fahrverhalten unter Druck setzt oder ihn ängstigt. Auch wenn ein Fahrer andere durch seine Fahrweise gefährdet und dadurch ein Verkehrsunfall entstehen kann, spricht man von Nötigung im Straßenverkehr.
Folgende Handlungen und Situation können als Nötigung im Straßenverkehr angesehen werden und zu einer Strafanzeige führen:
Dauerhaftes Drängeln und dichtes Auffahren über einen längeren Zeitraum.
Sie zwingen einen anderen Autofahrer durch einen nicht zu erwartenden Fahrbahnwechsel zum Bremsen.
Absichtliches Ausbremsen des Fahrers hinter Ihnen oder plötzliches, grundloses Bremsen.
Auf eine Person zufahren und berühren, weil diese z. B. eine Parklücke blockiert.
Den Fahrer hinter Ihnen absichtlich am Überholen hindern.
Das Bilden einer Straßenblockade, z. B. bei einer Demonstration.
Einen Autofahrer am Weiterfahren hindern und z. B. auf die Motorhaube setzen.
Gut zu wissen: Beim Überholen außerorts sind kurze Hup- und Lichtzeichen gemäß Straßenverkehrsordnung (StVO) erlaubt. Das kurze Hupen oder Aufblenden erfüllt aber auch innerorts eine Warnfunktion.
Was kann ich gegen eine Anzeige wegen Nötigung im Straßenverkehr tun?
Wurden Sie wegen Nötigung im Straßenverkehr angezeigt, erhalten Sie entweder eine Vorladung oder einen Fragebogen. Bewahren Sie zunächst Ruhe. So oder so müssen Sie auf die Anzeige reagieren; sich konkret äußern müssen Sie sich aber nicht. Abhängig von Ihrem individuellen Fall sollten Sie Stellung nehmen oder eher von Ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Schritt-für-Schritt-Anleitung über Ihre Handlungsmöglichkeiten
Vorladung erhalten: Die Polizei lädt Sie zu einer Anhörung ein.
Sie können der Einladung folgen oder
Sie können die Einladung ablehnen. Gemäß § 163a Absatz 3 StPO besteht nur bei einer Anordnung durch den Staatsanwalt die Verpflichtung, die Anhörung wahrzunehmen.
Fragebogen: Sie haben einen Anhörungsbogen von der Polizei erhalten.
Sie können den Bogen ausfüllen und Angaben zur Sache machen. Beachten Sie, dass jede Angabe zur Sache gegen Sie verwendet werden kann.
Es besteht lediglich die Pflicht zur Angabe Ihrer Personalien. Weitere Informationen können Sie verweigern.
Machen Sie von Ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass Sie sich schuldig bekennen. Das Aussageverweigerungsrecht des Angeklagten gehört den elementaren Rechten im deutschen Strafprozess.
Welche Strafen und Folgen hat Nötigung im Straßenverkehr für Beschuldigte?
Manche Verhaltensweisen im Straßenverkehr, darunter das Mittelfinger-Zeigen, sind eine Beleidigung und werden mit einer Geldstrafe bestraft. Nötigung im Straßenverkehr dagegen ist eine Straftat, die mit Punkten in Flensburg, Fahrverbot, Entziehung der Fahrerlaubnis, eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre bestraft werden kann.
Was ist der Unterschied zwischen einem Fahrverbot und der Entziehung der Fahrerlaubnis? Nach § 44 StGB wird ein Fahrverbot ausgesprochen, wenn Sie eine Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Führerscheins begehen. Nach Ablauf des Fahrverbots erhalten Sie Ihren Führerschein wieder. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69a StGB ist weitreichender: Sie werden als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs betrachtet. Nach Ablauf einer bestimmten Frist muss Ihnen die Fahrerlaubnis wieder erteilt werden. Dies geschieht vor Gericht. Unter Umständen müssen Sie Ihre Eignung mittels medizinisch psychologischer Untersuchung (MPU) nachweisen.
Die Strafen fallen sehr unterschiedlich aus. Ausschlaggebend ist die Intensität der Nötigung (Geschwindigkeit des Fahrzeugs, Dauer der Nötigung & Co.), die Folgen der Nötigung (Personen- und/oder Sachschaden) und das Verhalten des Täters (vergangene Verkehrsstöße, Vorsatz der Tat und Entschuldigung beim Opfer).
Kann der Genötigte Schadensersatzansprüche geltend machen?
Ein Genötigter kann nach bewiesener Nötigung einen zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch, darunter Schmerzensgeld, Nutzungsausfall oder Schadensersatz, geltend machen:
Schmerzensgeld: Ein genötigter Verkehrsteilnehmer hat drei Jahre Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn ihm durch die Nötigung gesundheitliche Schäden bzw. Beeinträchtigung widerfahren sind.
Nutzungsausfall: Kann der Genötigte sein Fahrzeug infolge der Nötigung im Straßenverkehr nicht nutzen, kann er eine Entschädigung des Verursachers verlangen.
Schadensersatz: Gemäß § 249 Abs. 1 BGB besteht ein Anspruch auf Schadensersatz, wenn aufgrund einer Nötigung im Straßenverkehr Eigentum beschädigt wurde.
Welche Urteile gibt es zur Nötigung im Straßenverkehr?
So haben Gerichte in der Vergangenheit über Fälle von Nötigung im Straßenverkehr geurteilt:
Mittelfinger zeigen und riskantes Einscheren: Ein 56-jähriger Münchner Taxifahrer überholte (ohne Fahrgast) ein anderes Auto, zeigte während des Überholmanövers den Mittelfinger und scherte riskant wieder ein. Das Amtsgericht München verurteilte den Taxifahrer wegen Beleidigung und Nötigung im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro und zu einem Monat Fahrverbot. (Urteil vom 25.06.2015 / Az. 922 Cs 433 Js 114354/15)
Drängeln, Provokation und fehlende MPU: Ein Autofahrer fuhr mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h auf einer Landstraße. Ein anderer Autofahrer näherte sich mit überhöhter Geschwindigkeit von hinten, fuhr extrem dicht auf und überholte trotz durchgezogener Linie. Anschließend bremste der Raser seinen Hintermann und dahinter fahrende Autos von 70 auf 20 km/h aus und fuhr so weiter. Der genötigte Autofahrer versuchte den Raser zu überholen. Der Raser versuchte daraufhin diesen zu rammen – ohne Erfolg. Das Gericht verurteilte den Fahrer wegen Nötigung im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.400 Euro sowie einem Fahrverbot von drei Monaten. Da der Schuldige der Aufforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht nachkam, wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen. (Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 10.06.2013 / Az. 3 L 441/13.NW)
Autofahrer bedroht Radfahrer: Ein 72-jähriger Rentner wechselte auf die Gegenfahrbahn, um ein auf seiner Fahrbahn parkendes Auto zu überholen. Auf der Gegenfahrbahn kam ihm ein Radfahrer entgegen. Der Rentner wollte den Radfahrer zum Ausweichen zwingen, indem er auf ihn zu fuhr, immer wieder Gas gab, ihn beschimpfte und drohte. Das Amtsgericht München verurteilte den Autofahrer wegen Beleidigung und Nötigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat. (Amtsgericht München, Urteil vom 06.12.2016 / Az. 942 Cs 412 Js 230288/15)
So hilft Ihnen ein KLUGO Partner-Anwalt weiter
Wenn Sie eine Anzeige wegen Nötigung im Straßenverkehr erhalten haben, sollten Sie sich im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens einen anwaltlichen Beistand suchen. Wurden Sie zu einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung eingeladen, sind Sie nicht zur Mitwirkung verpflichtet. Nehmen Sie Ihr Schweigerecht in Anspruch und äußern Sie sich nicht ohne Kenntnisse über das tatsächliche Ermittlungsergebnis.
Ein KLUGO Partner-Anwalt für Verkehrsrecht berät Sie in einem vertrauensvollen Rahmen zur Beweissicherung, weiteren Schritten im Falle einer Gerichtsverhandlung und Möglichkeiten einer Freisprechung. Vereinbaren Sie einfach einen Termin für eine kostenlose telefonische Erstberatung.
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